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New Pay – oder was verdienen wir in Zukunft? (1/2)

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Wohin entwickelt sich die Arbeitswelt? Mit dieser Frage beschäftigen sich mittlerweile ganze Heerscharen von internen wie externen Beratern. Im Mittelpunkt stehen dabei die Integration digitaler Tools oder die Etablierung agiler Prozesse. Auch Unternehmensstrukturen und Zusammenarbeitskultur werden beleuchtet. Ein zentraler Aspekt bleibt jedoch immer noch außen vor. Und das ist das Vergütungsmodell der jeweiligen Organisation.

Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass Unternehmen das Thema Entlohnung meiden, wie der Teufel das Weihwasser. Denn zum einen ist es für viele Menschen immer noch ein Tabu über Geld zu reden und gleichzeitig ist Gehalt ein hoch emotionales Thema. So entladen sich am Gehalt dann immer wieder Konflikte, vor allem dann, wenn das Gehalt für Beschäftige zum Schmerzensgeld wird oder sie Ungereimtheiten vermuten.

Wem oder was dient das Vergütungsmodell?

Aus diesem Grund lohnt es sich ganz bewusst folgende Fragen zu beleuchten: Welche Funktion erfüllt das Vergütungsmodell für eine Organisation? Welchen Nutzen stiftet es Mitarbeitenden bzw. Mitarbeitergruppen? Betriebswirtschaftlich betrachtet scheinen die Antworten auf der Hand zu liegen. Bezieht man den Faktor Mensch sowie systemische Betrachtungsweisen mit ein, werden die Antworten deutlich komplexer. Entspricht das tatsächliche Gehaltsgefüge dem offiziellen Vergütungsmodell? Oder spiegeln sich darin implizite Spielregeln der Organisation wieder? Und wenn ja, welche sind das? Wird derjenige belohnt, der seine Ergebnisse bestmöglich präsentiert oder werden Teamplayer prämiert, die gemeinsam Höchstleistung vollbringen?

Wenn Organisationen sich neu aufstellen, liefern Vergütungsmodell und Gehaltsgefüge wichtige Informationen über die organisationale Reife des Unternehmens. Gleichzeitig ist das Vergütungsmodell eine bedeutsame Stellschraube bei der Etablierung neuer Wege der Zusammenarbeit. Hier muss sich abbilden, welchen Grundsätzen die Wertschöpfung in der Organisation folgt. Die Auseinandersetzung mit dem Gehaltsmodell ist damit ein wichtiger Schlüssel für ein erfolgreiches Update des eigenen „Betriebssystems“.

Trends und Entwicklungen

Apropos Auseinandersetzung: Im Rahmen der Blogparade „New Pay – was verdienen wir eigentlich?“ haben wir uns im vergangenen Herbst intensiv mit den Anforderungen an künftige Vergütungsmodelle auseinandergesetzt. Überrascht waren wir vor allem von der riesigen Resonanz. Wir hatten via Social Media aufgerufen das Thema Vergütung mit der „New Work Brille“ zu beleuchten. Denn eines war uns klar, das Thema Vergütung muss, stärker als bislang, in den Blickpunkt organisationaler Betrachtung rücken. Innerhalb von sechs Wochen steuerten 50 Autorinnen und Autoren 55 Beiträge bei (siehe Überblick, Teil 1 und Überblick, Teil 2). Das zeigt, dass es offensichtlich Diskussionsbedarf gibt.

So vielfältig und unterschiedlich die Beiträge zur Blogparade sind, einige Schwerpunkte zeichneten sich bereits in der Anfangsphase ab. Dabei zeigte sich die Verschiebung der Präferenzen von Erwerbstätigen vom Gehalt hin zu mehr Freizeit und Selbstbestimmung. So ist es keine Überraschung, dass auch über das Grundeinkommen intensiv diskutiert wurde. Die kritische Reflexion sogenannter leistungsgerechter Vergütungsmodelle war ein weiterer Schwerpunkt der Beiträge. Doch das Thema, das sich durch die meisten Texte zog, war das der Gehaltstransparenz. Angefeuert wird die Debatte durch das Entgelttransparentgesetz, das im vergangenen Jahr verabschiedet und in diesem Jahr nun zur Anwendung kommt. Doch auch die Gender-Pay-Gap-Debatte zeigt hier eine immer größere Wirkung.

Gender-Pay-Gap – Verhandlungsgeschick oder Kulturindikator

Wenige Diskussionen werden so emotional geführt, wie die über die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Interessanterweise verläuft der Graben hierbei weniger zwischen den Geschlechtern selbst. Wer genauer hinhört, erkennt vielmehr, dass es um Bewertungsmaßstäbe geht, mit denen die Diskutanten Lohngerechtigkeit definieren oder wer die Verantwortung für die Lohndifferenzen trägt.

Laut statistischem Bundesamt liegt der Gender-Pay-Gap derzeit bei 21%. Ursachen dafür gibt es mehrere. An dieser Stelle wollen wir einen Aspekt herausgreifen, der uns in Bezug auf die Kultur einer Organisation entscheidend erscheint. Und das ist der Gehaltsunterschied von weiblichen und männlichen Führungskräften innerhalb der gleichen Organisation. Zahlen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen diese Differenzen anhand unterschiedlichen Stellenbezeichnungen auf. Welche Dimensionen dieser Unterschied in einer einzelnen Organisation annehmen kann, zeigte sich jüngst unter anderem bei der BBC.

Ein Argument, das immer wieder angeführt wird, um den Gehaltvorsprung von männlichen Führungskräften zu erklären, ist ihr vermeintliches Verhandlungsgeschick. Die Botschaft, die bei vielen mitschwingt ist sehr klar: „Frauen sind selbst daran schuld, dass sie weniger verdienen. Hätten sie besser verhandelt, würden sie das Gleiche bekommen“. Scheint auch logisch! Oder? Doch wer diesen Antwortautomatismus hinterfragt, dem öffnen sich andere Erklärungsmuster.

Wer trägt in einem Entscheidungsprozess die größte Verantwortung? Derjenige der Informationen zur Verfügung stellt? Oder die Personen, denen die meisten Informationen vorliegen?  Im Fall der Gehaltsfindung sind dies die Personen, die den Zuschlag für ein Gehalt erteilen. Sie kennen die Anforderungen an die Stelle, sie kennen die Bewerber, sie kennen deren Gehaltsforderungen und sie kennen das Gesamtgefüge der Gehälter in der Organisation. Auch haben sie die größte Erfahrung, wenn es um Gehaltsfindung geht, denn es ist ihr Aufgabengebiet.

Wieso antizipiert ein Unternehmen nicht den vermeintlichen Fakt des „selbstbewussten Verhandlers“ und reagiert im Aushandlungsprozess entsprechend? Warum ist es bereit für einen „guten Verhandler“ mehr auszugeben, wenn es die gleichen Kompetenzen für einen geringeren Betrag erhalten könnte? Entspricht der Wert, den ein angeblich „schlechter Verhandler“ aufruft am Ende nicht vielleicht sogar eher seinem realistischen Wertbeitrag? Hat der „forsche Verhandler“ die Interessen des Unternehmens im Blick oder geht es ihm darum den eigenen Nutzen zu maximieren und möglichst viel abzuschöpfen. Welchen Grad an Loyalität kann von einem solchen Mitarbeiter erwartet werden?

Wenn der Stellen- und Bewerbermarkt nur nach marktwirtschaftlichen Regeln funktionieren würde, müsste der Markt weiblicher Führungskräfte eigentlich leergefegt sein. Aber da dem nicht so ist, gilt es die Mechanismen in Organisationen, welche die Personalauswahl und das Gehalt bestimmen, kritisch zu hinterfragen. Daher sagt der Gender-Pay-Gap in einer Organisation mehr über die dort vorherrschenden Spielregeln aus, als über das Verhandlungsgeschick der besser verdienenden Männer.

Doch wie ist das nun mit der Transparenz von Gehältern? Was sagt der Datenschutz? Welche Experimente werden bereits gewagt? Erfahren Sie im zweiten Teil des Blogbeitrags ab dem 05.03.2018 mehr über diese Themen und lesen Sie, welche weiteren Entwicklungen sich in Bezug auf Entgeltmodelle abzeichnen!

 

Über die Autorin

New Work-Enthusiastin und Mitinitiatorin der #NewPay-Blogparade im Herbst 2017.

Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X. Sie ist bekennende New Work Enthusiastin und unterstützt Menschen in Unternehmen als Prozessbegleiterin und Coach in Veränderungsprozessen. Potentiale erkennen und Entfaltung ermöglichen, lautet dabei ihr Leitsatz. Kooperation, Kollaboration und Ko-Kreation sind für sie die Schlüssel zur Zukunft der Arbeit. Gemeinsam mit Stefanie Hornung und Sven Franke initiierte sie im vergangenen Herbst eine Blogparade zu Vergütungsmodellen im Kontext der neuen Arbeitswelt. Im Spätherbst 2018 erscheint ihr gemeinsames Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“ im Haufe-Verlag.

Der Beitrag New Pay – oder was verdienen wir in Zukunft? (1/2) erschien zuerst auf Future of HR.


New Pay – oder was verdienen wir in Zukunft? (2/2)

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„Beim Geld hört die Freundschaft auf“, diese Binsenweisheit hört man immer dann, wenn es um Geld und persönliche Beziehungen geht. Daraus könnte man schließen, dass die Intransparenz von Gehältern dem Klima unter Kollegen zuträglich ist. Und deshalb sind die Fürsprecher für die Weiterführung der Gehaltsintransparenz auch immer schnell gefunden.

Gehaltstransparenz und der Datenschutz

So lässt sich nun die Frage anschließen: Wem oder was dient die Intransparenz von Gehältern? Was ermöglicht sie? Was verhindert sie? Fakt ist, wenn es um Gehaltstransparenz geht, sind die Widerstände oft gewaltig. Einige Kritiker führen sofort den Datenschutz an. Und ja, der Datenschutz bestimmt das persönliche Gehalt als ein personenbezogenes Datum im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG. Dennoch steht es Organisationen frei ihr Vergütungsmodell transparent zu machen. Der öffentliche Dienst ist hierfür ein gutes Beispiel. Denn da ist nicht nur der Tarifvertrag öffentlich zugänglich. Die Stellen werden ebenfalls vorab einer Entgeltgruppe zugeordnet und entsprechend ausgeschrieben. Was die Stelleninhaberin oder der Stelleninhaber konkret verdient, hängt dann noch von den jeweiligen Vorerfahrungen ab. Diese werden von der Personalabteilung beurteilt und dienen der Zuordnung in eine der sechs Entgeltstufen innerhalb einer Entgeltgruppe. Auf diese Weise kann jeder in Erfahrung bringen wie das Gehaltsband aussieht und wie die Stelle maximal vergütet wird.

Vom Schein des Betriebsfriedens

Ein weiteres Argument das gegen die Transparenz von Gehältern angeführt wird, ist die Sicherung des Betriebsfriedens. Denn die Diskussion über Gehälter würden zu Auseinandersetzungen führen, so die Mahner. Doch wenn das Gehaltsgefüge zum Tabu deklariert wird, bedeutet das nicht, dass keine Diskussionen darüber stattfinden. Nur geschehen diese Debatten in informellen Runden. Das Fatale dabei ist, dass diese Runden der Organisation keinen Mehrwert schaffen. Sie dienen lediglich als ein Ventil für Frustration und Unzufriedenheit.

Gehaltstransparenz – einige Beispiele

Doch es gibt mittlerweile einige Unternehmen, die umdenken und ihren eigenen Weg zu mehr Transparenz beschreiten. Wie zum Beispiel die Elobau GmbH, ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Sensortechnik mit rund 800 Mitarbeitern. Dort entwickelte ein Team, zusammengesetzt aus einer repräsentativen Auswahl von Produktionsmitarbeitern, ein neues Entlohnungssystem. Zielsetzung dabei war es Transparenz zu schaffen, bestehende Missstände im Gehaltsgefüge auszuräumen und Gleichberechtigung speziell zwischen Männern und Frauen zu fördern.

Ähnlich transparent geht die Ministry Group, einem Verbund von Kommunikationsagenturen mit Sitz in Hamburg vor. Dort gibt es eine definierte Gehaltsformel, die verschiedene Kriterien abdeckt. Dies ermöglicht den Angestellten nachzuvollziehen, wie sich die Gehälter zusammensetzen. Das Gehalt besteht aus vier verschiedenen Komponenten. Einem Fixgehalt, einen stetig wachsenden Expertise-Anteil und zwei variablen Bestandteilen, die das individuelle Engagement zum Wohle der anderen und zum Wohle des Unternehmens anerkennen. Die Einschätzungen erfolgen jeweils durch Selbst- sowie Fremdeinschätzungen der Kollegen. Hier lässt sich gut erkennen, wie durch das Vergütungsmodell die Kultur gestaltet und gleichzeitig gespiegelt wird.

Transparenz über Gehaltsbänder bekommt überall dort noch eine ganz besondere Bedeutung, wo die Rekrutierung neuer Mitarbeiter in der Verantwortung von Teams liegt. So zum Beispiel bei den Software-Entwicklern von Qudosoft. Wie soll ein Teammitglied einschätzen, ob Bewerberin A den Zuschlag erhalten soll, wenn ihre Gehaltsvorstellung nicht bekannt ist. Gleichzeitig ist als Entscheidungsgrundlage ein Einblick in die Kennzahlen der Organisation sowie eine Einschätzung marktüblicher Gehälter notwendig.

Wigwam, eine Berliner Kommunikationsberatung ging hinsichtlich ihrer Ausrichtung der Organisation und des Vergütungsmodells noch einen Schritt weiter. Durch die Umwandlung in eine Genossenschaft, waren plötzlich alle Mitarbeitenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Personalunion. Die logische Konsequenz daraus war: Wenn alle gemeinsam wirtschaften, die wichtigsten Entscheidungen zusammentreffen und gemeinsam als Genossen finanziell die Verantwortung tragen, dann muss volle Transparenz her, was die Finanzen und die Vergütung angeht.

Der Mehrwert der Gehaltstransparenz

Der Umgang mit der Gehaltstransparenz ist kein leichter Weg. Das zeigen die sehr detaillierten und zum Teil persönlichen Beiträge der Blogparade wie beispielsweise von wigwam oder einem Berater von V&S, der sein Gehalt selbst festlegt.

Dennoch ist es ein Weg, in dessen Verlauf sich wichtige Dinge klären. Wer sich kritisch mit Bewertungskriterien und ihrer Gewichtung beschäftigt, wird sich über eigene Präferenzen und Denkmuster bewusst. Was ist gerecht? Was ist fair? Welchen Stellenwert hat die Ausbildung? Ist ein Akademiker produktiver oder wertvoller für eine Organisation als ein Praktiker und wenn ja wieso? Welche Bedeutung geben wir Vorerfahrung oder Kompetenzen im Vergleich zu Engagement und Kreativität? Werden familiäre Situationen berücksichtigt?

Die Diskussion über diese Fragen fördert die Auseinandersetzung mit Wertvorstellungen, positiven wie negativen Vorurteilen und Präferenzen. Dadurch ermöglicht sie die Aushandlung gemeinsamer Prinzipien und Spielregeln. Transparenz über Gehaltsmodelle oder Gehälter leistet überall dort einen Mehrwert, wo die Unternehmung als gemeinschaftliche Wertschöpfung betrachtet wird. Da Organisationen mehr als je zuvor sich einer dynamischen Wandlung vollziehen, müssen diese Aushandlungsprozesse wiederholt werden. Denn die organisationalen Anforderungen verändern sich kontinuierlich und die persönlichen Bewertungsmaßstäbe entwickeln sich ebenfalls weiter. Das zeigt sich in den vergangenen Jahren insbesondere in der Verschiebung der Präferenzen Erwerbstätiger vom Lohn hin zur Freizeit und Selbstbestimmung.

Zeit ist das neue Geld

Ein gutes Beispiel dafür, dass Zeit das neue Geld ist, ist der aktuelle Tarifabschluss der IG Metall. In anderen Branchen zeigte sich diese Entwicklung bereits im vergangenen Jahr. Denn die Mehrheit der Bahnmitarbeiter entschied sich 2017 für mehr Freizeit, statt mehr Geld. Der Tarifabschluss ermöglichte drei individuelle Wahlmöglichkeiten: entweder 2,6 % Lohnerhöhung, eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde oder sechs Tage zusätzlichen Urlaub. 56 % der Beschäftigten entschieden sich für die dritte Option, und das in einem Konzern mit einem großen Anteil gewerblicher Mitarbeiter.

Das Zeit das neue Geld ist, spiegelt sich außerdem in einigen Erwerbsbiografien der Autorinnen und Autoren der Blogparade New Pay wieder. Ob ehemaliger internationaler Projektleiter im Großkonzern, ehemalige Pressesprecherin einer großen Krankenkasse oder die ehemalige Führungskraft aus der Industrie, Menschen mit hohem Gestaltungsdrang verzichten heute bereitwilliger auf Gehalt um die zur Verfügung stehende Zeit in eigene Projekte zu investieren. Aber auch die Qualitätszeit mit Familie und Freunden oder ehrenamtliches Engagement spielt eine immer größere Rolle. Hier verschieben sich individuelle Ansprüche und damit gesellschaftliche Bewertungen.

Das Konzept „leistungsgerechte Gehälter“ hat ausgedient

Und genauso unterliegen die Maßstäbe und Bewertungen monetärer Anreize einem Wandel. Das Postulat leistungsgerechter Gehälter als Voraussetzung unternehmerischen Erfolgs bröckelt. Viele Unternehmen, darunter einige große, wie beispielsweise Bosch haben individuelle Boni ganz abgeschafft oder sie durch Erfolgsbeteiligungen ersetzt. Bereits in der Finanzkrise konnte beobachtet werden, welche fatalen Auswirkungen falsch gesetzt Anreize auslösen können. Die Suche nach dem heiligen Gral eines effizienten Bonussystems endet deshalb regelmäßig in einer Odyssee. Denn die Ausgestaltung der Boni wird zunehmend komplizierter, ihre Nachvollziehbarkeit hingegen zunehmend schwieriger und damit ihre Wirkungen immer unvorhersehbarer.

Erklärungen hierfür finden sich nicht nur in der Spieltheorie. Auch psychologische Experimente zeigen in unterschiedlichsten Kulturkreisen die immer gleichen Zusammenhänge: Wer extrinsisch motiviert, sabotiert die intrinsische Motivation von Menschen und konditioniert Beschäftige dazu Kennzahlen auch dann zu erfüllen, wenn es dem Gesamtsystem schadet. Gleichzeitig lassen sich wichtige Aspekte der neuen Arbeitswelt, die auf Kollaboration, Kooperation oder Ko-Kreation einzahlen, nicht in klassischen Kennzahlen festschreiben. Kommunikative Kompetenzen, Kreativität, Innovationsfreude, Empathie oder Problemlösungskompetenz, lassen sich nicht in vermeintlich objektive Messgrößen packen und schon gar nach Plan steigern.

Fazit

Unternehmen, die den Erfahrungsschatz und das Potential ihrer Beschäftigten aktivieren wollen, werden neue Lösungen für Entlohnung finden müssen. Experimente und Vorreiter, von denen man lernen kann, gibt es bereits. Eine spannende Auswahl werden wir im Laufe des Frühjahrs genauer beleuchten und in unserem Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“, das im Spätherbst erscheinen wird, ausführlich vorstellen.

Doch Achtung! Wer der Versuchung erliegt, Blaupausen zu suchen und diese im eigenen Unternehmen zu etablieren, wird sich damit fremde Spielregeln auferlegen. Es gilt lediglich ein gemeinsames Prinzip für alle Unternehmen gleichermaßen: wer neue Formen der Zusammenarbeit konsequent denkt und diese erfolgreich etablieren will, kommt um die gemeinschaftliche Reflexion neuer Formen der Vergütung nicht herum. Allen die sich auf diesen Weg machen, wünschen wir viel Erfolg. Außerdem wünschen wir ihnen hilfreiche Begleiterinnen und Begleiter, für die der Weg das Ziel ist statt der kostengünstige Griff in die Schublade.

 

Über die Autorin

Bild von Nadine Nobile
New Work-Enthusiastin und Mitinitiatorin der #NewPay-Blogparade im Herbst 2017.

Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X. Sie ist bekennende New Work Enthusiastin und unterstützt Menschen in Unternehmen als Prozessbegleiterin und Coach in Veränderungsprozessen. Potentiale erkennen und Entfaltung ermöglichen, lautet dabei ihr Leitsatz. Kooperation, Kollaboration und Ko-Kreation sind für sie die Schlüssel zur Zukunft der Arbeit. Gemeinsam mit Stefanie Hornung und Sven Franke initiierte sie im vergangenen Herbst eine Blogparade zu Vergütungsmodellen im Kontext der neuen Arbeitswelt. Im Spätherbst 2018 erscheint ihr gemeinsames Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“ im Haufe-Verlag.

Der Beitrag New Pay – oder was verdienen wir in Zukunft? (2/2) erschien zuerst auf Future of HR.

Mehr als Boni: Starker Vertrieb braucht starke HR

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Viele Unternehmen setzen auf Agilität, Digitalisierung und Innovationsstrategien, sie stellen ausgefeilte Business-Pläne auf und professionalisieren ihr Marketing. Ob sie damit erfolgreich sind, entscheidet sich häufig an einer Stelle: im Vertrieb. Nur wenn die Sales-Profis einen guten Job machen, zahlen sich alle anderen Aktivitäten aus. Was braucht also der Vertrieb, um erfolgreich zu sein?

Eines ist klar: In Zeiten gesamtgesellschaftlichen Wandels haben sich auch die Rahmenbedingungen für den erfolgreichen Vertrieb in den letzten Jahren geändert. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie heute weit mehr bieten müssen als finanzielle Anreize, damit ihre Mitarbeiter Hochleistungen erbringen. Aber auch die Anforderungen an Mitarbeiter im Vertrieb, gleich welcher Art dieser ist, sind längst nicht mehr nur auf die reine Anzahl von Abschlüssen ausgerichtet. Und die Vertriebsmitarbeiter haben auch deutlich differenziertere Ansprüche an ihr Unternehmen als früher. Deshalb ist die Personalarbeit für den Vertrieb jetzt vor allem auch bei folgenden Themen gefragt: Kompetenzen, Nachhaltigkeit und Gesamtvergütung.

Gefragt sind kundenorientierte Kommunikatoren …

Über welche Kompetenzen ein Sales-Profi verfügen muss, richtet sich im Kern nach den Kunden und deren Entscheidungs- und Kaufverhalten. Und Kunden sind heute entweder gut geschulte Einkäufer oder im B2C-Geschäft zumindest häufig besser informiert, selbstbewusster und auf Verhandlung ausgelegt. Sie wollen einen fairen Deal – und sie wollen nicht einfach irgendetwas verkauft bekommen.

Deshalb kommt es für Sales-Profis darauf an, die Präferenzen und Verhaltensweisen der Gesprächspartner zu verstehen, um dann aus Sicht des Kunden die angebotene Leistung gut positionieren zu können. So entsteht Vertrauen. Und Vertrauen verkauft.

… und digital fitte Team-Player

Zudem zeigen sich intern zwei miteinander verknüpfte Trends: Integration und Digitalisierung. Vertriebler mit Kundenkontakt arbeiten immer intensiver Hand in Hand mit anderen Funktionen zusammen am gemeinsamen Erfolg. Das geht deutlcih über den Innendienst hinaus und nicht selten bis zur Entwicklungsabteilung.

Im Zusammenspiel werden Informationen über Kunden und Märkte gemeinsam genutzt und Aktivitäten koordiniert. Erleichtert wird dieser kollaborative Ansatz durch digitale Plattformen und eine mobile Kommunikation. Erfolgreiche Sales-Profis verstehen sich deshalb heute als Teil eines Teams, zu dem letzten Endes auch der Kunde gehört. Sie denken und handeln in Netzwerken und nutzen neue Technologie weise und unterstützend.

Ein differenziertes Kompetenzmodell entwickeln

Welche Kompetenzen insgesamt relevant sind, hängt von der Branche eines Unternehmens ab, von seiner Vertriebs-Strategie und von den Stufen und Rollen im Sales-Prozess. Dennoch: Wer als Key-Account-Manager im B2B-Bereich vor einem Abschluss steht, muss zwar andere Gesprächstechniken einsetzen, aber wichtige Grundkompetenzen bleiben gleich. Es ist vor allem die gute Kommunikation: sich in die Rolle des Gegenüber zu versetzen und von ihm aus zu denken (!) und zu kommunizieren.

Unternehmen, die alle relevanten Kompetenzen identifizieren und in einem spezifischen und differenzierten Kompetenzmodell abbilden, haben eine gute Basis für ein gezieltes Recruiting, das weitere Talent-Management und die Personalentwicklung im Vertrieb.

Nachhaltig verkaufen

Langfristige Kundenbeziehungen sind häufig profitabler als permanente Neu-Akquisition, die Cost-of Sales drücken zudem deutlich auf die Margen. Deshalb kommt es darauf an, langfristige, stabile Verbindungen zu mehreren Personen auf der Käuferseite aufzubauen und zu pflegen. Das Wie des Umgangs ist dabei wichtiger als die jeweilig angebotenen Produkte oder Dienstleistungen. Hier kommt es zum Beispiel auf Werte wie Fairness und Offenheit an. Auf Verlässlichkeit, Freundlichkeit, After-Sales-Betreuung, sprich das Kümmern um den Kunden. Auf allen Käuferebenen.

Es geht also in der Regel nicht um den einmaligen Abschluss, sondern um die nachhaltige Kundenentwicklung und die, siehe oben, ist eben zunehmend nur im Team zu haben. Darauf sollte auch der Vergütungsmix ausgerichtet sein: Er darf nicht nur den aktuellen individuellen Erfolg honorieren, sondern auch das, was gemeinsam auf längere Sicht erreicht wurde.

Das Paket entscheidet, nicht die Boni

Doch Boni & Co. sind nicht alles. Die Wünsche sind – auch innerhalb von Vertriebs-Crews – zunehmend unterschiedlich. Gute Führung macht sich das zu nutze. Dazu gehören ein solides Grundgehalt und Entwicklungsperspektiven, die Top-Leuten Chancen bieten, als Führungskraft Karriere zu machen und gute Vertriebler in einer Experten-Laufbahn wachsen lassen.

Wer aus Vergütungs- und Entwicklungs- bzw. Karrieremöglichkeiten seinen Sales-Profis ein attraktives Gesamtvergütungspaket schnürt, steigert auf Dauer deren Engagement und er wird sich um die notorisch hohe Fluktuation im Vertrieb weniger Gedanken machen müssen. Auch das ist Nachhaltigkeit.

Das Dreamteam: HR und Vertrieb

Für jedes Unternehmen ist hier der eigene Weg der beste. Vertrieb ist nicht gleich Vertrieb. Nur differenziert gestaltete unternehmensspezifische HR-Management-Modelle für den Vertrieb führen weiter. Und der Mehrwert guter Personalarbeit sollte mehr als bislang üblich in die Gestaltung dieser Modelle einfließen. Alte Erfolgsregeln, wie zum Beispiel das Angebot attraktiver Prämien und Beteiligungen, ziehen alleine nicht mehr.

Gute Personalarbeit sieht das Gesamtunternehmen und berücksichtigt das Zusammenwirken im Unternehmen – hier ist vor allem die relative Gerechtigkeit ein ganz wichtiger Hebel für eine gute Leistungsorganisation. Zudem achtet eine auf Mehrwert bedachte Personalarbeit bei der Besetzung von Leitungsfunktionen auf passende Führungsqualitäten, die eben auch aus den hier dargestellten Faktoren entspringt – und eben nicht nur aus einer beeindruckenden Bilanz von Abschlüssen. HR und der Vertrieb sollten sich daher als Team verstehen, das gemeinsam im Interesse des gesamten Unternehmens handelt.

Das Branchen-Treffen in Berlin: #TheNewDeal2018 - Vertrieb und HR im Zukunftsdialog.
Das Branchen-Treffen in Berlin: #TheNewDeal2018 – Vertrieb und HR im Zukunftsdialog.

Über den Autor

Joachim Kayser ist einer der erfahrensten Experten für die Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten. Er blickt auf eine über 35-jährige Wirkungszeit im internationalen HR Management zurück – sowohl in der Industrie als auch in der Beratung.
Erfahren, wenn es um Vergütung und internationales HR Management geht: Joachim Kayser, Senior Partner der hkp/// group

Joachim Kayser ist Senior Partner der Unternehmensberatung hkp/// group und einer der erfahrensten Experten für Top-Management- und Aufsichtsratsvergütung im deutschsprachigen Markt. Er blickt auf eine über 35-jährige Wirkungszeit im internationalen HR Management zurück – sowohl in der Industrie als auch in der Beratung. Seine inhaltlichen Schwerpunkte bilden, neben Vergütungssystemen und -höhen für Vorstände und Aufsichtsräte, die Begleitung von Familienunternehmen in allen HR-Angelegenheiten, die Beratung von Unternehmen bei der Etablierung kapitalmarktfähiger HR- und Vergütungssysteme im Rahmen des anstehenden Börsengangs, die Beratung zu modernen Systemen der Altersversorgung sowie zu Incentive Systemen zur Performance-Steigerung der Vertriebsmitarbeiter.

Der Beitrag Mehr als Boni: Starker Vertrieb braucht starke HR erschien zuerst auf Future of HR.

Future of HR-Podcast, Folge 1: Experten halten und entwickeln!

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Für Führungskräfte selbstverständlich, bei Experten eher rar: Ausgefeilte Programme, die Kandidaten identifizieren, weiterentwickeln und ihre Nachfolge regeln. In Zeiten hohen Innovationsdrucks ein gefährlicher Missstand. Im Future of HR-Podcasts erklären die hkp/// group Berater Laura Hohmann und Frank Gierschmann, wie sich Unternehmen zu Experten-Organisationen entwickeln.

Sie sorgen mit Ihrer Arbeit dafür, dass Unternehmen Dank ihrer Innovationen nicht den Anschluss an den Wettbewerb verpassen und sichern somit letztlich die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft ganz allgemein: Experten. Gemeint sind hoch qualifizierte Spezialisten ihres Faches, die aufgrund ihrer tiefen, nicht breiten Expertise nicht ohne weiteres zu ersetzen sind. Umso überraschender ist es, dass ausgerechnet diese „Innovations-Macher“ laut jüngsten Umfragen mit zu den unzufriedensten Mitarbeitern in Unternehmen zählen. Ein gefährlicher blinder Fleck, der in Zeiten der Digitalisierung mit ihrem hohen Innovationsdruck letzten Endes auch den wirtschaftlichen Wohlstand bedroht.

Future of HR, der Podcast – Folge 1: Experten halten und entwickeln!

Wie kommt es, dass Experten so vernachlässigt wurden? Was lässt sich dagegen tun? Und warum sollten sich Unternehmen heute als Experten-Organisationen begreifen? Hierüber sprechen die Moderatoren Constantin Härthe und Thomas Müller mit den hkp/// group Beratern Laura Hohmann und Frank Gierschmann in der ersten Folge des Future of HR-Podcasts.

 

 

Die Gäste

Laura Hohmann, Consultant bei der hkp/// group
Laura Hohmann, Consultant bei der hkp/// group

Laura Hohmann studierte Psychologie mit Fokus auf personal- und wirtschaftsnahe Anwendungsfelder an der Universität Münster. Im Rahmen ihrer Masterarbeit entwickelte sie das erste forschungsbasierte Modell für Erfolgsfaktoren webbasierter Talent Management Systeme. Sie sammelte vielseitige praktische Erfahrungen in unterschiedlichen HR-Bereichen; unter anderem in der Personalentwicklung, der Personalauswahl sowie im Talent Management eines großen deutschen Sportartikelherstellers. Seit ihrem Einstieg bei hkp/// im Jahr 2015 ist Laura Hohmann in Projekte rund um die Themen Performance und Talent Management involviert und begleitet Unternehmen bei der Konzeption von HR-Systemen entlang des Employee Lifecycles.

 

 

Frank Gierschmann, hkp/// group Partner und Experte für Talent- und Performance Management
Frank Gierschmann, hkp/// group Partner und Experte für Talent- und Performance Management

Frank Gierschmann berät seit 2013 für die hkp/// group Konzerne und Mittelständler zu allen Aspekten des Talent- und Performance Managements. Er begann seine berufliche Laufbahn in der Konzernzentrale des weltweit größten Logistikdienstleisters. Innerhalb von 11 Jahren durchlief er hier verschiedene Experten- und Führungsfunktionen im Bereich der Führungskräfte- und Personalentwicklung, zuletzt in der Rolle als Vice President Corporate Executives Staffing. 2011 folgte der Wechsel in die Schweiz, wo er bei einem börsennotierten Logistikkonzern als Global Head of Talent Management das unternehmensweite Talent Management verantwortete. Frank Gierschmann ist Wirtschaftspsychologe und Autor verschiedener Fachpublikationen zu Fragen des Talent- und Performance-Management und in diesem Themenfeldern auch als Referent sowie Gastdozent aktiv.

 

 

Die Moderatoren

Constantin Härthe, Digital Communication Manager der hkp/// group
Constantin Härthe, Digital Communication Manager der hkp/// group
Thomas Müller, Leiter international Marketing & COmmunication der hkp/// group
Thomas Müller, Leiter international Marketing & Communication der hkp/// group

 

 

 

 

 

 

Constantin Härthe ist für die Redaktion von FUTURE OF HR zuständig und ist bei der hkp/// group als Digital Communication Manager tätig. Thomas Müller verantwortet das internationale Marketing und die Kommunikation der Unternehmensberatung.

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Reptilienhirn bis Schwarmintelligenz: Kommunikation als wahre Disruption

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Ohne sie kommen Vortragstitel heute nur schwer aus: die Disruption. Disruptive Prozesse in Wirtschaft und Arbeitswelt sowie die Konsequenzen für Management, HR, Marketing & Co. sind wichtige Themen. Sie dürfen aber nicht den Blick auf die wahre Disruption verstellen, die eine intensive Wertedebatte benötigt: die Kommunikation.

Alles ist im Wandel, eine Binsenweisheit mit der sie, je nach rhetorischer Finesse, heute noch ganzen Sälen Applaus abnötigen können. Besonders gewaltig und klug klingt in diesem Kontext der Begriff der Disruption – inflationär genutzt, verleitet er zu reflexhaftem Kopfnicken, ist allerdings alles andere als trennscharf. In der Biologie benennt „disruptiv“ eine grobe Musterung, weiß der Duden. In der Technik handelt es sich um die Störung eines systemischen Gleichgewichts. Und da scheinen wir dem allgemeinen Sprachkonsens sowie dem auch in der Wirtschaftswissenschaft gebräuchlichen Terminus schon etwas näher zu kommen: Meint man damit doch meist den grundsätzlichen, schnellen und exponentiellen Wandel von Geschäftsmodellen oder ganzer Branchen, ausgelöst durch technologische, digitale Anwendungen.

Der Wandel der Kommunikation als Initialzündung

Gefasst werden damit viele Erscheinungen, wie zum Beispiel die Industrie 4.0: die Automatisierung und Vernetzung von Maschinen, der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im industriellen Prozess oder Blockchain als zentraler Angriff auf alle intermediären Funktionen in Geschäfts- und Verwaltungsprozessen. All das sind tatsächlich umwälzende Phänomene, deren Folgen wir heute nur erahnen können. Die größte und prägendste Disruption durch Digitalisierung scheinen wir bei all den gigantischen Buzzwords allerdings gerne zu übersehen: die Kommunikation.

Ihr Wandel ist die Initialzündung für viele, wenn nicht alle Transformationsprozesse, die wir bislang erlebt haben, in denen wir uns heute befinden und auch zukünftig befinden werden. Binnen kürzester Zeit hat sich die disruptive Kraft der Digitalisierung in Form von Smartphones in unsere Hand- und Hosentaschen gekämpft und ist Teil unseres Alltags geworden. Kommunikationstechnologie hat unser Leben verändert – und sie wird es auch weiterhin tun.

Wir sind, was wir kommunizieren – allerdings ist das nicht immer einfach…

Das erste Axiom zur Kommunikation meines österreichischen Landsmanns Paul Waztlawick lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren“. Kommunikation betrifft als eines der wenigen Themen alle Lebensbereiche: Privat- und Berufsleben, Liebe, Religion und Politik. Man könnte auch sagen: Wir sind, was wir kommunizieren. Doch mit der Kommunikation ist es nicht immer so einfach, angesichts der Mängel mit denen wir als Menschen ausgestattet sind.

Neutrale Beobachtung ist beispielsweise nicht unsere Stärke – bzw. sind wir dazu schlichtweg nicht in der Lage, was auch der deutsche Physiker Werner Heisenberg mit seiner Unschärferelation fasst. Jede unserer Beobachtungen verändert die beobachtete Wirklichkeit. Dass wir als Menschen darüber hinaus oft gar nicht in der Lage sind, Wirklichkeit zu erkennen, sondern nur unser selbst geschaffenes Bild von ihr, hat René Magritte in seinem Bild „Ceci n’est pas une pipe“ auf den Punkt gebracht – das Bild, das eben keine Pfeife zeigt, sondern nur das Bild einer Pfeife ist. Nur zwei Einsichten in die Natur des Menschen, die Kommunikation nicht gerade einfach machen. Allerdings unterstreichen sie auch, wie wichtig Kommunikation und der Austausch unter Menschen ist.

Verbotene Bücher und Donald Trump: Kommunikation, Wirklichkeit und Disruption

Es gibt keine andere Wirklichkeit als die, die wir uns erschaffen: Die Welt ist also, wie wir sie sehen. Kommunikation schafft also auch Wirklichkeit. Dies erkannten und erkennen nicht zuletzt die Diktaturen dieser Welt, die die Kommunikation zu allen Zeiten zu kontrollieren versuchten – vom Index der verbotenen Bücher bis zur Diskussion um die „Fake News“ des „@realDonaldTrump“, wie sich der US-Präsident auf Twitter nennt. All dies ist nichts anderes als der Versuch, Kontrolle über Wahrheit und Wirklichkeit auszuüben.

Warum das alles disruptiv ist? Klar, Menschen haben immer schon kommuniziert und kontrolliert. Tatsächlich ist die Umwälzung im direkten, analogen Gegenüber von Mensch zu Mensch nicht ganz so auffällig – vorausgesetzt Ihr Gesprächspartner lässt sich von seinen „digital Devices“ nicht ablenken. Wo sich der fundamentale Paradigmenwechsel in all seinen Facetten offenbart, ist allerdings die Kommunikation one-to-many. Hier wurde ein bestehendes, auch technisches System komplett über den Haufen geworfen: das System der öffentlichen Kommunikation – und das ist im besten Wortsinne als disruptiv zu bezeichnen.

Wir befinden uns noch mitten im Aneignungsprozess

Ich beschreibe es gerne als Wegfall von Filtern und Hürden. Mitunter sind aber auch Dämme gebrochen: Zum Beispiel der Wegfall der Vormachtstellung klassischer Medien als Mittler zwischen Absendern von Botschaften und einer dispersen Öffentlichkeit, wie es Friedhelm Neidhardt beschreibt. Doch Beispiele für den Wegfall von Hürden oder das Wegbrechen von Filtern gibt es viele. Von der Postkutsche zum Instant Messaging, von Anzeigen und Leserbriefen hin zu Communities und viralen Netzwerken, von Lektoraten zur Spontankommunikation, vom handgeschriebenen Brief zur Daumenakrobatik. Kommunizieren ist heute nicht mehr unbedingt eine Frage von Zeit, Ort, Aufwand, Expertise, Kosten, Bildung etc. – mit allen Vor- und Nachteilen.

Doch wir befinden uns noch mitten im individuellen und gesellschaftlichen Aneignungsprozess der in die Jahre gekommenen „neuen Medien“. Vielleicht erinnern sich die Älteren von uns noch an das Aufkommen von E-Mails. Schnell durfte man die Bekanntschaft mit sich aufschaukelnden E-Mail-Kaskaden und mit immer breiteren Verteilern machen. Und manche von uns haben den Rat erhalten, ihre elektronischen Briefe dann doch mal über Nacht liegen zu lassen. So lang wie das auch wieder her sein mag – so uneingeschränkt gültig ist dies auch heute noch in Hinblick auf WhatsApp-Nachrichten und Tweets.

Schwarmintelligenz und Reptilienhirn

Positiv formuliert: Kommunikation wird spontaner, ehrlicher, direkter und demokratischer. Die vernetzte Kommunikation schafft das von Marshall McLuhan beschriebene „Global Village“. Wir rücken einander mitunter auch empathisch näher, wie es Jeremy Rifkin beschreibt. Zumindest einige von uns. Wir haben gelernt, welche Macht Schwarmintelligenz und Gemeinschaftskreation entfalten – und sie verändern auch zusehends unsere Arbeitswelt.

Negativ formuliert: Kommunikation rutsch mitunter auch ins Reptilienhirn. Und das ist nicht nur auf Balance und Kreativität, sondern auch auf Kampf, Flucht, Vernichtung und andere Urtriebe oder Ängste eingestellt – das gilt oft für Sender und Empfänger gleichermaßen. Der zwitschernde US-Präsident „Tweety-Trump“, Versuche der Wahlmanipulation, Cybermobbing, Shitstorms oder die Kommunikationsstrategien der rechten Parteien zeigen: Es wird extremer.  Denn das ist die andere Seite der Medaille: Nur noch begrenzt wirksame Filter, wie beispielsweise die Presse als Gatekeeper der öffentlichen Kommunikation, hatten eben auch eine wichtige Funktion.

Die wahre Disruption gestalten

Alles, was unser Kommunikationsverhalten ändert, das ändert unseren öffentlichen Raum – mit privaten und beruflichen Konsequenzen. Die uns heute und in Zukunft zur Verfügung stehenden Kommunikationstechnologien bringen das Beste und das Schlechteste in uns hervor. Und egal, wie man dazu steht, klar ist: Sie gehen nicht mehr weg.

Sie und ich werden die Landschaft der Kommunikationsplattformen bereits heute schon nicht ausschöpfen und was „das nächste große Ding“ sein mag, spielt keine Rolle. Wichtig ist jedoch, darauf hinzuweisen, dass es ist an uns ist, in welcher Weise wir die digitalen, kommunikativen Möglichkeiten von heute und morgen nutzen. Denn wir – und damit meine ich unsere Gesellschaft – wird sie nutzen: Denn nicht kommunizieren kann man nicht.

Insofern wünsche ich mir, ebenso wie die Bonner Medienwissenschaftlerin Caja Thimm, eine gesellschaftliche Werte-Debatte über Kommunikation, die zu einer Re-Humanisierung der Kommunikation und zu neuen Regeln dafür führt. Lassen Sie uns das digitale Miteinander weiter voranbringen. Eine gut ausformulierte „Netiquette“ ist schön, aber nützt nichts, wenn die darin enthaltenen Werte nicht genauso aktiv vermittelt werden, wie der gute Umgang auf dem Schulhof. Hier stehen wir – trotz rasender Entwicklung – gerade erst am Anfang und sollten uns schleunigst auf den Weg machen. Denn Kommunikation ändert alles. Sie ist der Ausgangspunkt aller disruptiven Prozesse unserer Zeit – und damit die wahre Disruption. Wenn wir sie gestalten, gestalten wir auch die Art und Weise, wie wir aus dem Zeitalter des permanenten Wandels hervorgehen – individuell, gesellschaftlich und unternehmerisch.

 

Über die Autoren

Michael H. Kramarsch zählt zu den führenden Vergütungsberatern und Corporate-Governance-Experten. Er ist Delegierter des Verwaltungsrats und Managing Partner der 2011 von ihm gegründeten internationalen Unternehmensberatung hkp/// group. In seiner mehr als 20-jährigen Beratertätigkeit beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit Fragestellungen der wertorientierten Unternehmensführung, Corporate Governance, Performance Management und Top-Executive-Vergütung. Als Sachverständiger hat er mehrfach die Regierungskommission DCGK und Standardisierungsgremien zur Vorstandsvergütung (DSRC) beraten. Als Investor fokussiert sich Michael H. Kramarsch auf Startups im HR-Umfeld.

Constantin Härthe ist Digital Communication Manager der hkp/// group. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren wissenschaftlich und beruflich mit dem digitalen Wandel der Kommunikation. Er ist Mitautor einer Studie zur digitalen Krisenkommunikation, war Redakteur in der Senderkommunikation eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders sowie als Kommunikations-Referent in einer Wirtschaftsorganisation und als Projektmanager in Agenturen für PR und Bewegtbild beschäftigt.

Der Beitrag Reptilienhirn bis Schwarmintelligenz: Kommunikation als wahre Disruption erschien zuerst auf Future of HR.

#HowToNewWork – die Netzdebatte!

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Alle reden über #NewWork – und das ist gut so! Viele Beiträge bewegen sich allerdings oft in zu hoher Flughöhe, jagen Buzzwords durch‘s Dorf und denken oft mehr an das gewünschte Ergebnis als an die ersten Schritte. Deshalb heißt es jetzt: Butter bei die Fische! Mit #HowToNewWork – der Netzdebatte für konkrete Impulse für neue Arbeit!

#HowToNewWork: Was soll das?!

Keine Frage, Beiträge über neues Arbeiten gibt es viele. Schon länger werden gefühlt beinahe täglich Beiträge und Postings zum Thema #NewWork veröffentlicht. Einige bieten wertvolle Perspektiven auf den Entwicklungsprozess hin zu neuen Formen der Arbeit. Auch in der Beratung ist das Thema in Form von konkreten Projekten längst präsent.

Dennoch lässt sich feststellen, dass es zwar immer mehr Leuchttürme und Sensibilisierte unter den mitunter auch mittelständischen Unternehmen gibt – der Großteil der Wirtschaft ist sich der Relevanz sowie des heute schon abrufbaren Nutzens neuer Arbeitsmethoden jedoch noch nicht bewusst. Das wollen wir ändern!

#HowToNewWork: Schluss mit Buzzword-Bingo!

Um Unternehmen zu erreichen, die sich noch nicht für #NewWork interessieren, brauch es keine Pamphlete zur Lage der Nation, die das Thema aus der Vogelperspektive betrachten. Auch beliebten Buzzwords – AI, WOL oder doch EXD? – sorgen mitunter für Verwirrung und schaffen damit Distanz, mögen sie auch noch so interessante Phänomene benennen. Um die Wirtschaft in der Breite davon zu überzeugen, sich in der Arbeitswelt auf den Weg zu neuen Ufern zu bewegen, brauch es konkrete, pragmatische Impulse: Wie laufe ich los? Und: Was bringt mir das? Wer diese Fragen nicht beantwortet, kann nicht überzeugen.

#HowToNewWork: Alle gemeinsam, statt jeder für sich!

Hier setzt #HowToNewWork an. Gemeinsam mit Mitstreitern aus Unternehmen, Startups und der HR-Branche ganz allgemein, möchten wir – Michael H. Kramarsch, Managing Partner der hkp/// group, und Constantin Härthe, Digital Communication Manager der hkp/// group – gemeinsam mit möglichst vielen eine Netzdebatte initiieren, die mit jedem Beitrag (Posting, Blogartikel oder Video) ganz konkrete Tipps liefert, wie man heute schon einen Schritt in Richtung neue Arbeit geht. Dabei freuen wir uns heute schon über die Unterstützung von Nadine Nobile (co:x), Anna Kaiser (Tandemploy), Inga Ketels (Hochschule Fresenius), Anna Süster Volquardsen (dearwork.de), Martin Gaedt (Rock Your Idea), Dr. Andreas Zeuch (priomy) und Henrik Zaborowski. Wir alle sind überzeugt davon, dass neue Arbeit nicht ohne Kollaboration geht, deshalb…

#HowToNewWork: Jetzt mitmachen!

Haben Sie eine konkrete Idee oder einen Tipp, wie man heute schon erfolgreich neu arbeiten kann? Dann lassen Sie es uns wissen: Sei es durch Ihr Posting oder Tweet mit dem Hashtag #HowToNewWork oder mit Ihrem Artikel auf www.future-of-hr.com oder dem eigenen Blog. Gemeinsam machen wir die unterschiedlichen Impulse sichtbar – und tragen so dazu bei, die Debatte mit konkreten Ratschlägen zu bereichern. Lust mitzumachen? Dann freuen wir uns über Ihre Mail an constantin.haerthe@future-of-hr.com.

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Anders arbeiten – von der Hierarchie zum Netzwerk?

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Neue Arbeit passt nicht in alte Muster. Und Innovation entsteht nicht ohne neues Arbeiten – zumindest nicht in dem Ausmaß und der Geschwindigkeit, wie wir sie im Zeitalter der Digitalisierung benötigen. Ein Wechsel von hierarchischer Organisation zum Netzwerk soll es richten. Doch wie soll das konkret aussehen?

 

Nahezu alle Organisationen stoßen aktuell mit ihren bisherigen Personal- und Führungssystemen und Strukturen an ihre Grenzen, merken immer stärker, dass die Handlungsfähigkeit und Flexibilität, die angesichts des schnellen digitalen Wandels notwendig wäre, in klassischen Hierarchien nur schwer realisiert werden kann. Von Silostrukturen ist vielerorts die Rede, von starren Pyramiden oder „Lehmschichten“, die für Innovation, Kreativität und – Vorsicht Buzzword! – „Agilität“ kaum Raum lassen. Schon manch einer hat lauthals das Ende hierarchischer Systeme verkündet, die Netzwerkorganisation zum neuen erstrebenswerten Modell erkoren. Doch wo stehen wir aktuell auf unserem Weg hin zu neu organisierten Unternehmen? Und welche Art der Organisation ist tatsächlich zeit- und zweckgemäß?

Alle wollen Change – aber keiner mag den Prozess!

Kaum ein Unternehmen ist in den letzten Jahren ohne „Change Prozess“ ausgekommen, oftmals geht es hierbei um Themen der Digitalisierung (und der damit einhergehenden Automatisierung von Geschäftsprozessen) oder um Kulturveränderung. Initiiert werden diese – teils sehr umfänglichen – Change Projekte meist von ganz oben, „Top-down“ vom Vorstand, der wiederum von Beratern begleitet bzw. inspiriert wird. Die Hoffnung, dass diese Veränderungsprozesse tatsächlich die gesamte Organisation durchdringen, in der Arbeitsrealität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ankommen und dort nachhaltig Wirkung erzielen, wird in vielen Fällen enttäuscht. Gerade weil die hierarchischen Strukturen nicht per se offen und durchlässig sind, hat es auch “die arme Veränderung“ schwer, bis in alle Ebenen durchzudringen und vor allem flächendeckend Unterstützer zu finden. Das Ergebnis sind nicht selten resignierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die schon etliche Change Prozesse in der eigenen Firma erlebt – und am Ende kaum wahrnehmbare Veränderung oder Verbesserung gespürt haben. Frei nach dem Motto: Den Change übersteh‘ ich auch noch…

Top-Down vs. Bottom-up

Umso charmanter erscheint da der Ansatz, den Wandel „Bottom-up“, also von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern initiiert, in die Organisation zu tragen. Ihnen bewusst Raum zu geben, um einerseits die Organisation, ihre Strukturen, Prozesse und Arbeitsmodelle aktiv mitzugestalten und andererseits auch Ideen einzubringen für die Produkte, Dienstleistungen und Zukunftsvision des Unternehmens. Wenn jemand mitreden und mitgestalten sollte bei der Art und Weise, wie in Organisationen (zusammen)gearbeitet wird – dann doch wohl die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selber. Oder?

„Meint ihr das Ernst?“

Tatsächlich ist es spannend zu beobachten, wie in Unternehmen, die quasi über Nacht „die Pyramide umdrehen“ und Eigeninitiative fordern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meist sehr zurückhaltend, wenn nicht gar unsicher oder überfordert reagieren. So großartig und wichtig es ist, der Belegschaft Raum und Vertrauen zu geben für Mitgestaltung und Mitsprache – zum Beispiel bei neuen Arbeitsformen -, so elementar ist es auch, zumindest anfänglich klare „Begleitsignale“ von oben zu senden. Zu lange haben sich alte Strukturen, Denkmuster und Prozesse in den Köpfen verfestigt, zu groß ist oft die Skepsis, dass dieser neue Wandel, diese Möglichkeiten wirklich ernst gemeint sind und zu groß ist vielleicht auch der geschäftsnotwendige Ordnungsrahmen, den eine Organisation braucht (Effizienz, Governance, Compliance). Gerade beim Übergang braucht es flankierend starke „Top-down“ Impulse, die deutlich machen: „Wir meinen es Ernst! Wir wollen das wirklich! Dazu brauchen wir euch! Wir machen das gemeinsam!“

Umgedrehte Pyramide – oder doch besser Netzwerk?

Auffällig ist auch, dass bei allen Diskussionen um das „Umdrehen der Pyramide“, um „Top-down“ versus „Bottom-up“ noch immer in alten Schemata gedacht wird: Eine umgedrehte Pyramide ist immer noch starr, die Differenzierung zwischen „oben“ und „unten“ immer noch eindirektional – und irgendwie auch schwarz-weiß. Ein „Auf-den-Kopf-Stellen“ alter Strukturen hilft nichts, wenn das starre Kästchensystem, das nahezu krampfhafte „Stellendenken“ dabei erhalten bleibt. Was wir wirklich benötigen, sind atmende Organisationen, in denen Menschen gut zusammenarbeiten und ihr Wissen teilen können, in denen Aufgaben ineinandergreifen und sich klare Verantwortlichkeiten aus gemeinsamen Zielen und individuellen Talenten ableiten. Organisationen, in denen sich unterschiedliche und im Zeitablauf veränderte Organisationsmodelle finden – raus aus der Pyramide und rein in den Schwarm, aber eben auch umgekehrt. Organisationsformen sollten keine „Mode“ sein, sondern passen – und Ziele der Organisation und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzusetzen helfen.

Die Veränderung passiert nicht über Nacht

Dass diese Veränderung nicht von heute auf morgen passieren wird, ist völlig klar und sollte auch nicht der Erwartungshaltung entsprechen. Dass wir (allerspätestens!) heute damit anfangen müssen, der Veränderung den Weg zu bereiten und uns aufzumachen zu „Neuem Arbeiten“, liegt allerdings ebenso auf der Hand. Wenn dies zur eigenen Kultur passend, authenthisch, ernstgemeint und unter Einbezug der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (auch der Blue Collar Kolleg*innen) geschieht, ist schon viel gewonnen. Symbolpolitik hilft da nicht weiter. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchschauen schnell, wenn der CEO in Turnschuhen die Duz-Kultur im Unternehmen verkündet und sich von der Sekretärin weiter Siezen lässt.

Digitalisierung ist ein zentraler Hebel für neues Arbeiten

Personalprozesse in Unternehmen sind heute noch immer geprägt durch behaupteten zentralen Wissensvorsprung („Wir wissen im Headquarter am besten, was ihr braucht“), One-Size-Fits-All Ansätze („Wir rollen das weltweit aus und geben es in ein Shared Service Center nach Manila“) und einen starken Order-and-Control Gedanken („Die internen Revision schaut sich mal an, wie die Organisation weltweit den Performance Management Prozess umsetzt“). Genau so sind heute noch viele (IT) Systeme und Prozesse in Unternehmen organisiert und senden damit deutliche Signal der „Anti-Agilität“ – da kommt der schönste Sneaker nicht gegen an. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommen heute aber mit anderen Erwartungen und privaten Erlebnissen in Organisationen und sind auch mal schnell frustriert, wenn Sie das Gefühl steinzeitlicher IT beschleicht, da kann die Oberfläche noch so schön und bunt gestaltet sein. Klar ist: Heutige Systeme funktionieren oft sehr gut für Organisationen aber nicht unbedingt für die Vernetzung von Menschen und fluide Organisationsformen. Es braucht aber beides. Organisationen müssen lernen, in Teilbereichen Kontrolle abzugeben und Kontrollverlust auszuhalten. Ganz konkret heißt das: organisationale Agilität ohne begleitende Selbstorganisation ermöglichende IT Lösungen wird für große Organisationen schwierig bis unmöglich werden.

Fazit

Darwin hat über „Survival of the Fittest“ gesprochen und meinte damit keineswegs das Überleben des Stärkeren, sondern das Überleben des Anpassungsfähigeren. Die Digitale Revolution verlangt Organisationen immer schnellere und grundsätzlichere Anpassungen ab. Das kann keine noch so kluge CEO-Persönlichkeit von oben oder gar alleine erreichen. Organisationen sind heute mehr denn je auf das Potenzial ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen. Um dieses Potenzial zu heben, müssen Organisationen „Herz, Hirn und Hände“ ihrer Mitarbeitenden erreichen – sie emotional ansprechen und authentisch zur Mitgestaltung ermuntern. Sie müssen Ihnen die Notwendigkeit der Veränderung und neue Spielformen der Zusammenarbeit vermitteln – und sie ins Tun bekommen. Vor allem müssen sie aber selber loslegen und Vorbild sein! Einfach mal loslegen: #einfachmachen.

 

Über die Autoren

Anna Kaiser ist eine der beiden Geschäftsführerinnen von Tandemploy, einem Unternehmen, das seit 2014 die Arbeitswelt auf den Kopf stellt. Das junge Berliner Unternehmen entwickelt Software, die Mittelständler wie Konzerne beim gelungenen Wissenstransfer sowie der Flexibilisierung ihrer Strukturen und Arbeitsmodelle unterstützt – und sie damit fit macht für die digitale Transformation.

Michael H. Kramarsch zählt zu den führenden Vergütungsberatern und Corporate-Governance-Experten. Er ist Delegierter des Verwaltungsrats und Managing Partner der 2011 von ihm gegründeten internationalen Unternehmensberatung hkp/// group. In seiner mehr als 20-jährigen Beratertätigkeit beschäftigte er sich schwerpunktmäßig mit Fragestellungen der wertorientierten Unternehmensführung, Corporate Governance, Performance Management und Top-Executive-Vergütung. Als Sachverständiger hat er mehrfach die Regierungskommission DCGK und Standardisierungsgremien zur Vorstandsvergütung (DSRC) beraten. Als Investor fokussiert sich Michael H. Kramarsch auf Startups im HR-Umfeld.

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Co-Leadership als Weg zu New Work

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Eine Führungsposition, zwei Führungskräfte – das ist fachlich, inhaltlich und menschlich sinnvoll und passt ideal zu den Gedanken der agilen Teamführung, der Work Life Balance und des New Works. Nicht nur aus Sicht des Führungsduos, sondern auch aus Sicht des Teams. Ein Denkanstoß für ein neues, adaptives Führungsmodell.

Vom Einzelkämpfer zum Führungs-Duo

Sich eine Führungsposition zu teilen und nicht nach alleiniger Führung zu streben schien lange Zeit unvorstellbar. Der Wert einer Karriere wird regelmäßig an der Übernahme einer Führungsposition gemessen. Dass diese auf eine einzelne Person bezogen sein muss, ist dabei selbstverständlich.

Neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben dieses Bild verändert. Führungspositionen können, auch wenn dieser Wandel sich in unterschiedlicher Schnelle vollzieht, mittlerweile im Team besetzt werden. Allerdings hat sich hier praktisch bisher nur eine Form der gemeinsamen, gleichberechtigten Führung etabliert: Die Führung in Teilzeit.

Führung in Teilzeit ist schöpft Potenziale gemeinsame Führung nicht ab

Ein neues Verständnis der Rollenverteilung in Beziehungen und die Zunahme des Anteils von Frauen in Führungspositionen führen dazu, dass man auf Teilzeitkräfte in Leitungsfunktionen nicht verzichten möchte und kann. In weiten Teilen beschränken sich solche Konstrukte auf gemeinsame Führungssysteme für Frauen. Durch die Aufteilung der Arbeitszeiten handelt es sich bei diesen Modellen aber nicht um gemeinsame Führung im Sinne unseres Verständnisses. Vielmehr handelt es sich um die Teilung einer Position in zeitlich gleiche Anteile. Die Potenziale einer ständigen gleichzeitigen und gleichberechtigten Leitung werden damit aber nicht abgeschöpft.

Die Entwicklung in modernen Volkswirtschaften mit Umbrüchen in der Gesellschaft und neuen Prozessen in der Wirtschaft, die wiederum zu fundamentalen Veränderungen in der Arbeitswelt führen, geht also darüber hinaus.

Führen im Team ist New Work

Führung wird nicht mehr „um jeden Preis“ als erstrebenswertes Karriereziel angesehen. Potenziell erzielbare Einkommensvorteile werden gegenüber planbaren Arbeitszeiten, sozialer Integration in das Arbeitsteam und vor allem einem jederzeit möglichen Austausch auf Augenhöhe unabhängig von funktionaler Verantwortung sehr individuell bewertet. Genau diese Punkte haben auch wir abgewogen und daraus eine neue Führungsform entwickelt, die den Bedarfen des Unternehmens, des Teams und unseren individuellen Vorstellungen gerecht werden kann. Alle Erfahrungen aus Personalgesprächen und dem Austausch mit unseren Kunden zeigen uns – und dies verstärkt der Trend „New Work“ – dass nur solche Modelle in Zukunft akzeptiert werden und stabiles Personalmanagement gewährleisten können.

Der kleinste Think-Tank im Unternehmen

Unsere Doppelspitze setzt sich nicht aufgrund organisatorischer Notwendigkeiten zusammen. Dies führt aktuell immer noch regelmäßig zu Job- oder Topsharing von Frauen in Teilzeit. Damit führen aber auch wesentlich eher zwei Charaktere in ähnlichen Lebenssituationen ein Team. Unsere Zusammenarbeit geht von ganz anderen Grundlagen aus: Wir wollten diese Doppelspitze installieren, weil wir daraus neue Impulse für die Zukunft unseres Verantwortungsbereichs geschaffen und entwickelt haben. Wir bringen in die Doppelspitze völlig unterschiedliche Berufs- und Lebenserfahrungen ein und sind somit als Team in unserer Kreativität viel stärker. Unser Koffer an Instrumenten und Methoden ist reicher gefüllt – dies ist für die Personaldiagnostik und die Projektsteuerung gleichermaßen von Vorteil. Wir können Ressourcen und Wissen untereinander austauschen und so innerhalb des Bereichs und innerhalb eines etablierten Unternehmens den Start-up Gedanken einfließen lassen. Unsere Doppelspitze ist der kleinste Think-Tank im Unternehmen.

Persönliches Wachstum durch mehr Vielfalt

Wohlwissend, dass es ganz unterschiedliche Lebensvorstellungen und -wege gibt, lassen wir mehr zu. Für unser Team bedeutet dies die Chance zu persönlichem Wachstum aufgrund einer größeren Vielfalt an Vorbildern und einer gesteigerten Motivation im Team. Alle Teammitglieder haben die gleichen Voraussetzungen Projekte zu initiieren, zu leiten, ihre Meinung einzubringen und für neue Impulse im Team zu sorgen. Von einer Doppelspitze geführt zu werden, die sich nicht in ein bekanntes Führungscluster einordnen lässt, muss im Team ein Umdenken auslösen. Es fordert jeden Mitarbeiter auf, sich mit neuen Führungsstilen und neuen Arbeitsweisen flexibel auseinanderzusetzen. Diesen Prozess wünschen sich Teams – die Umsetzung ist allerdings auf Teamebene komplexer als auf Leitungsebene. Weil sie mehr Einsatz, Agilität, Reflektion und Kreativität jedes Teammitglieds erfordert. Das Verstecken hinter eingefahrenen Strukturen und Prozessen entfällt.

Co-Leadership als Motor des New Work-Gedankens

Drehen Sie den Spieß um! Ihre Teams wünschen sich mehr Mitsprache, Projekte, flexible Arbeitszeiten? Lassen Sie dies zu, aber fordern Sie es dann auch ein. Dies durch ein Co-Leadership Modell zu implementieren, bei dem die Partner durch individuelle Blickwinkel Impulse setzen, kann hier der Motor des New Work-Gedankens sein.

Ob ein ideales Team einer Doppelspitze ex ante definiert werden kann – das ist von vielen Faktoren abhängig. Nicht zuletzt muss die Chemie in der Doppelspitze stimmen. Umso mehr, je größer das Team ist und je agiler die Prozesse. Dies unterscheidet sich aber nicht von Führungskräften, die alleine agieren.

Potenziale von Diversity, Silver Agern oder des Female Shifts abbilden!

Der Trend zu Co-Leadership sollte aber nicht auf ein Modell für JobrückkehrerInnen reduziert werden und auch nicht auf die Antwort nach der Work Life Balance in Führungspositionen. Wobei: Doppelspitzenmodelle lassen unterschiedliche Ausprägungen zu und können so sowohl die Potenziale von Diversity, Silver Agern oder des Female Shift abbilden!

Im Zuge agiler Führung und zunehmend dynamischer Arbeitsabläufe werden die Aufgabengebiete von Führungskräften immer breiter: Sind wir Projektleiter, Personalleiter, Organisatoren, Teamleader, Entscheider, Handelnde oder Strategen? Und was sind wir zu welchem Zeitpunkt?

Zwei Personen machen den Job doppelt so gut

Als Doppelspitze haben wir gegenüber einzelnen Führungskräften nicht kompensierbare und nicht imitierbare Vorteile. Zudem treffen wir keine einsamen Entscheidungen. Wir sind Teil einer gleichberechtigten Interaktion und bleiben über diesen sozialen Prozess gleichzeitig Teil des gesamten Teams.

Schaffen Sie Tandems, die sich in ihren Fähigkeiten ergänzen, Synergien erzielen, kreative Gedanken im Wechselspiel ausfeilen, und in einem Prozess der gegenseitigen Verifizierung nutzenverstärkend im Unternehmen wirken.

Nicht zwei Personen machen den gleichen Job, den sonst einer macht – nein, zwei Personen machen einen Job doppelt so gut und durch die gegenseitige Verstärkung auch mit gesteigerter Effizienz.

„Verwunderung herrscht nur noch, wenn einer fehlt.“

Für uns und unser Unternehmen stellt sich nach mehr als 2 Jahren Erfahrung mit dem Modell Doppelspitze, einem rasanten Teamwachstum und Kennzahlen, die für sich sprechen, nicht mehr die Frage: „Können die Mitarbeiter damit umgehen, zwei Ansprechpartner zu haben und diese zu adressieren?“, „Wie stringent kann die Doppelspitze in der Realität ausgeübt werden?“. Es ist selbstverständlich geworden, dass wir zusammen entscheiden, Meetings bestreiten oder Präsentationen halten. Vielmehr sind alle im Unternehmen ganz selbstverständlich zu einer dualen Ansprache übergegangen und Verwunderung herrscht nur noch, wenn einer fehlt.

Unsere größte Bestätigung: wenn es auch nicht als Führungsprinzip im Unternehmen offen propagiert wird: Sowohl innerhalb unseres Bereichs wie auch außerhalb haben sich inzwischen „Nachahmer“ gefunden. Immer sind die Gründe für die Bildung von Tandems die zunehmende Komplexität sowie Veränderung und Innovation von Arbeitsabläufen und Arbeitsumfeld. Die Doppelspitze ist mehr als die Summe zweier Führungskräfte. In Teamrichtung, aber auch in Richtung Strategie und Zukunft.

 

Über die Autoren

Julia Collard und Sven Schnitzler sind leiten die Business School sowie den Vertrieb und das strategische Marketing der Europäischen Fachhochschule in Brühl (EU|FH). Neben ihrer Berufserfahrung kennt Julia Collard die Phase des Wiedereinstiegs nach der Elternzeit ebenso wie die Gratwanderung zwischen Teilzeitjob und Führungsposition, Familie, Berufstätigkeit und Freizeit sowie dem idealen Zeit- und Projektmanagement. Auch Sven Schnitzler weiß um die Wendepunkte im Leben und ist überzeugt davon, dass es „die eine“ perfekte Karriere nicht gibt – selbst ganz unterschiedliche Berufsbilder können zum persönlichen Erfolg führen. Eigenschaften wie Kreativität, der Wunsch nach Perfektion und ein hoher Anspruch an Service und Qualität schaffen für ihn die Verbindung zwischen den Berufswelten.

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Demokratisch agiles Recruiting: Wenn Mitarbeiter ihre Kollegen einstellen und entlassen

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Recruiting gehört zu HR. Profis suchen, wählen und prüfen Talente. Am Ende werden sie abgelehnt, eingestellt und mitunter wieder entlassen. Doch brauch es hierfür wirklich die Personalabteilung? Oder können nicht die Teams, die den Bedarf haben, selbst entscheiden, wer zu ihnen passt?

Ich weiß nicht, welche Erfahrung Du gemacht hast. Meine bisherigen Bewerbungsgespräche vor vielen Jahren sahen folgendermaßen aus: Nachdem ich die Formalitäten erledigt hatte, indem ich meine Bewerbungsunterlagen schön ordentlich eingereicht hatte, wurde ich irgendwann zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Da saß dann – ich war im Gesundheitswesen tätig – der Chefarzt und manchmal noch mein späterer direkter Vorgesetzter. Vom Team, in dem ich später arbeiten sollte, habe ich nie jemanden gesehen. Nun mag ich mich geschmeichelt fühlen, dass die oberste Führungskraft es als Chefsache betrachtete, bei meinem Einstellungsgespräch persönlich dabei zu sein und mich auf meine Qualifikation hin zu prüfen. In den zwei Fällen meiner Anstellung in Krankenhäusern war das Ergebnis dieses Prozederes jedoch ausgesprochen gemischt: einmal hat es richtig gut gepasst, im anderen Fall hatte ich nach 6 Monaten gekündigt. Natürlich sind zwei Fälle alles andere als statistisch relevant. Aber mal andersherum betrachtet: Wie viele Recruitingprozesse kennst Du, die fundamental anders verlaufen?

Recruiting ist eine zentrale Aufgabe der Unternehmensentwicklung

Aber warum sollte das Recruiting anders verlaufen? Wir haben doch in der HR- Abteilung die studierten Expert*innen zur Personalarbeit, oder? Nun ja, es gibt so den einen oder anderen Hinweis, dass das Recruiting eben nicht so gut funktioniert, wie es sollte. Grundsätzlich gilt: Diese Aufgabe ist zentral für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung einer Organisation in allen Belangen. Durch das Recruiting wird gesteuert, wer als Angestellter durch die Grenzen der Organisation gelassen wird. Je kleiner die Organisation, um so einflussreicher wird tendenziell jeder neue Mitarbeiter, jede neue Kollegin. In großen Organisationen hat zwar der einzelne weniger Einfluss, dafür werden aber naturgemäß viel mehr Menschen als feste Mitarbeitende ins System geschleust und haben somit über ihre Masse einen großen Einfluss. Durch neue Kolleg*innen kann eine Kultur positiv stabilisiert, weiterentwickelt oder langsam aber sicher von innen zerfressen werden.

Auch in diesem Zusammenhang ist ein Blick auf den Gallup Engagement Index hilfreich. Seit seiner ersten Erhebung in Deutschland 2001 hat sich am grundlegenden Verhältnis der drei erhobenen Typen nichts wesentlich geändert: In der „inneren Kündigung“ befinden sich rund 15%, „Dienst nach Vorschrift“ betreiben rund 70% und „emotional positiv gebunden“ an den Arbeitgeber sind rund 15% – das sind diejenigen, die ihre Arbeit wirklich gerne verrichten und auch als Markenbotschafter des Unternehmens auftreten. Diese seit 17 Jahren erhobene Untersuchung hat eine Menge mit der mangelnden Passung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber zu tun. Ganz offensichtlich versagt hier das Standard Recruiting trotz aller beschworenen Professionalität auf breiter Fläche.

Passung zwischen Bewerbern und Stellen

Das Verständnis von Passung zwischen Standardprozessen und demokratisch agilem Recruiting unterscheidet sich deutlich. Passung umfasst unserer Ansicht bei priomy nach folgende Dimensionen:

  1. Job – Bewerber
  2. Team – Bewerber
  3. Führung – Bewerber
  4. Organisationskultur – Bewerber
  5. Organisationszweck – Bewerber

Der Fokus liegt bis heute auf der Passung zu den fachlichen Anforderungen einer fixen „Stelle“ mit einem mehr oder minder klar umrissenen Profil an Aufgaben, da muss man und frau nur einen  Blick in irgendeine beliebige Stellenanzeige werfen, um diesen Fokus zu sehen. Die Passung zum Team wird, wenn überhaupt, gerne mit diversen Tests á la HPI, MBTI, Grave/Spiral Dynamics und dergleichen mehr erhoben. Ob die Bewerberin gut mit ihrem zukünftigen Chef kann, lässt sich natürlich immer dann prüfen, wenn die Vorgesetzten bei der Bewerbung anwesend sind, was häufig der Fall ist. Grundsätzlich bleibt es indes bei der gleichen Logik. Die Fachkräfte der HR- Abteilung und der jeweilige Vorgesetzte entscheiden top-down, wer die nächste Mitarbeiterin wird, während das Team wie die Kinder zu Weihnachten auf die Bescherung warten dürfen.

Wir glauben indes, dass es um wesentlich mehr geht, als diese drei ersten Dimensionen, sofern die überhaupt systematisch geprüft werden. Als besonders wichtig erscheinen uns genau die Dimensionen, die eher selten in Betracht gezogen werden: Die jeweilige Organisationskultur und der Organisationszweck. Das gilt umso mehr, je ungewöhnlicher eine Organisation die tägliche Arbeit organisiert und vollzieht. Dabei gilt: Je mehr (heterogene) Sichtweisen bei der Beurteilung der Bewerbenden in die Entscheidung einfließen, um so valider wird sie.

Teamaufgaben im demokratischen Recruiting

Wenn wir das Recruiting als eine der zentralen Aufgaben zur Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung der Organisation aus der klassischen Aufgabenverteilung herauslösen und in die Teams geben, haben Sie folgende Aufgaben zu bewältigen:

  1. Feststellung des Personalbedarfs
  2. Suche (wann, wie, wo)
  3. Bewerbung
  4. Onboarding
  5. Kriseninterventionen
  6. Entlassung

 

  1. Wer, wenn nicht die Teams selbst, können den Bedarf an Personal am besten beurteilen? Ich weiß sehr genau, was uns an personellen Ressourcen im Team noch fehlt. Meine Teamkolleg*innen und ich sind diejenigen, die täglich erleben, wo es eng wird, wo noch Luft ist und ob wir durch entsprechende Verteilung freier Arbeitsressourcen die Aufgaben gut bewältigen können oder nicht. Und je nach Grad der Selbstorganisation, wissen wir auch am besten, wo wir mit unserer Arbeit langfristig hinwollen – und können so auch strategisch neue Kolleg*innen suchen.
  2. Vielleicht hat ein Team auch noch spezifische Ideen, wann, wo und wie es das neue Teammitglied suchen will. Die einen möchten dies eventuell über eine klassische Jobbörse machen, andere über Mitarbeiter-suchen-Mitarbeiter-Programme und wieder andere durch Active Sourcing in den üblichen Karrierenetzwerken – oder aber eine Kombination daraus. Das Entscheidende: Auch der Suchprozess sollte zum Team passen, denn dadurch werden oftmals schon Weichen gestellt, wer überhaupt gefunden wird. Auf Stepstone tummeln sich andere Menschen als auf unserer kleinen Startup Jobbörse von priomy.
  3. Im eigentlichen Bewerbungsprozess gibt es verschiedene Optionen der Gestaltung. Es können, müssen aber nicht alle Teammitglieder anwesend sein, was ohnehin in den meisten Fällen schwierig würde. Vielleicht gibt es auch telefonische Vorgespräche zur Filterung bei besonders vielen Bewerbern, vielleicht ein Video Assessment und so weiter.
  4. Die Einarbeitung bedarf natürlich keiner besonderen Kommentierung, sie kann nur im Team stattfinden. Im weiteren Verlauf können dann auch Krisen durch das Team bewältigt werden – und im Zweifel externe Mediatoren dazu geholt werden.
  5. Am schwierigsten ist die Entlassung durch das Team. Aus unserer Sicht ist das allerdings ein notwendiger konsequenter Schritt. Denn wenn Teams nur einstellen, aber nicht entlassen, fehlt ihnen einen fundamentale Erfahrung an Personalentscheidungen. Sie würden nur Rosinen picken und wichtige Lernprozesse aus der zweifelsfrei immer wieder mal nötigen Trennung von unpassenden Kolleg*innen nicht nutzen können.

Einwände seitens HR

Natürlich führt der drohende Verlust einer der Kernaufgaben bisheriger HR-Abteilungen und Mitarbeiter*innen zu prompter Kritik an der Idee eines demokratischen Teamrecruitings. Im Kern ist die Kritik auf ein Argument zurückzuführen: Mangelnde Professionalität. Die Teammitglieder sind doch keine Profis in Sachen Personalarbeit. Da sitzen dann die jeweiligen Fachkräfte einer IT Abteilung, aus dem Controlling, der Produktion, dem Marketing – wie sollen die denn in der Lage sein, diesen komplexen Prozess professionell zu gestalten? Konkret kommen folgende Einwände:

  1. Die Teams sind nicht in der Lage, den echten Personalbedarf zu erkennen. Sie würden nur kurzfristige Lücken füllen wollen und können keine professionelle strategische Personalplanung durchführen. Nun denn, frage ich mich, welche Profis haben denn diese Idioten eingestellt, die zu all dem Zauberwerk nicht in der Lage oder Willens sein sollen? Denn die Teams hatten sich ja nicht selber eingestellt…
  2. Besonders überzeugend: Die Teams verfügen nicht, wenn sie nicht zufällig zur Marketingabteilung gehören, über die nötigen Hammerskills, um gute Anzeigen zu gestalten. Oh my God – wenn ich so an all die überwältigenden Layouts der Standardanzeigen denke, dann fällt mir die Kinnlade bis zum Boden. Vor allem weil viele der klassischen Stellenbörse ohnehin keine freie Gestaltung der Anzeigen ermöglichen, sondern vielmehr normierte Gestaltungen verkaufen.
  3. Sollte indes mal ein Team all diese beinahe unüberwindbaren Hürden genommen haben, spätestens dann schlagen verschiedene Bias-Effekte zu:
    • Erstens suchen sich die Teams nur diejenigen Bewerber raus, die genauso ticken wie sie. Hm, gerade frage ich mich: Wieviele wirklich heterogene Vorstände gibt es eigentlich? Aber lassen wir das. Wären Teams durch die Profis weitflächig heterogener besetzt, wäre es ein Argument für die Kritiker. Aber all die individuellen, heterogenen, garantiert völlig buzzwordfreien Stellenanzeigen belegen wohl kaum die Überlegenheit der Profis.
    • Des Weiteren wollen die Teams nicht das eigene Ansehen gefährden und suchen sich nur die in diesem Sinne passenden Kolleg*innen. Und wieviele HR Profis und Vorgesetzte entscheiden sich für kritische Querdenker, die auch die Führung sowie grundlegende Aspekte der Organisation in Frage stellen?
    • Last not least: Die Teammitglieder sind keine langjährig ausgebildeten Psychologen, deshalb erliegen sie den Bias-Effekten ungeübter Menschen. Zum Beispiel dem Halo Effekt, indem sie von ein, zwei positiven Eigenschaften auf eine insgesamt gute Eignung schließen.

Das alles sind ganz offensichtlich unlösbare Probleme! Die HR-Mitarbeiter*innen sind nicht ersetzbar. Und schon gar nicht ihr unfassbar professioneller Beitrag in der Besetzung von Stellen. Was wir wiederum an Ergebnissen wie dem Gallup Engagement Index, dem DGB Index Gute Arbeit und anderen Studien sehen (Vgl. Zeuch, A. (2015): S. 13-25). Die HR-Abteilungen haben bisher echte Genies eingestellt, die allesamt hervorragende Arbeit leisten und dauerhaft bestens motiviert sind. Falls nicht, so lag das nur und ausschließlich an den lausigen Bewerber*innen.

Summa summarum: Es gibt Alternativen zum bisherigen, seit Jahrzehnten im Kern gleichen Vorgehen. Und es gibt Argumente, warum es sinnvoll ist, neue Kolleg*innen nicht mehr fremdbestimmt zu rekrutieren.

Herzliche Grüße

Andreas

 

Über den Autor

Dr. Andreas Zeuch begleitet seit 2003 Organisationen auf dem Weg zu selbstbestimmter Arbeit. 2015 veröffentlichte er sein letztes Buch „Alle Macht für niemand. Aufbruch der Unternehmensdemokraten“ und im März 2018 gründete er priomy, die Plattform für selbstbestimmte Arbeit.

 

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#NewWork braucht interne Unternehmer!

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Na, surfen Sie noch auf der Buzzword-Welle oder fühlen Sie sich schon überrollt?! Viel dazwischen gibt es derzeit nicht. Doch das ist gefährlich. Gerade im Mittelstand müssen wichtige Weichen gestellt werden. Hier helfen weder agiler Aktionismus, noch progressive Phrasendrescherei: es braucht (Achtung Buzzword!): Intrapreneure.

Manch Mittelständler schläft in den letzten Monaten ziemlich unruhig und fragt sich, ob er in einigen Jahren noch rentabel sein kann – oder überhaupt noch existiert. Die Großen machen es vor: Digitalisierung, agile Innovationsprozesse, Venture Capital für Startups, Dezentralisierung von Geschäftsprozessen über Blockchain und so weiter und so fort.

Die digitale Transformation findet derzeit scheinbar vor allem an den Konferenztischen der Vorstandsetagen statt. Der CEO nennt sich fortan Chief Empowerment Officer und digitale Visionen werden in Form von Hochglanzbroschüren sowie schicken Homepages präsentiert.

Digitale Visionen in einfache Maßnahmen übersetzen

Doch was bedeutet das alles für den Mittelstand? Hat er überhaupt noch die Chance gegen die Digitalisierungswelle anzukommen? Die Antwort ist ein klares Ja! Zumindest, wenn es um Buzzwords geht, die banale Selbstverständlichkeiten wie „Rocket Science“ aussehen lassen. Worauf es wirklich ankommt, das ist die Übersetzung digitaler Visionen in einfache Maßnahmen, die durch organisationale Rahmenbedingungen permanent zur Verfügung gestellt werden.

„Wir wollen uns in neuen digitalen Geschäftsmodellen etablieren“ – aus diesem hehren Wunsch alleine entspringen genauso wenig innovative Ideen, wie aus einer reinen Orientierung an Trends oder akuten Marktbedürfnissen.

Wecken Sie den Intrapreneur in Ihren Mitarbeitern!

Vielmehr braucht es Rahmenbedingungen, die Mitarbeiter befähigen, von sich aus innovative Ideen zu generieren. Unternehmen sollten versuchen, den internen Unternehmer – den Intrapreneur – in ihren Mitarbeitern zu wecken.

Damit bedeutet Intrapreneurship für ein Klima stetigen Agierens zu sorgen – und entkoppelt somit vom reaktiven Hinterherhächeln kurzfristiger Trends. Der amerikanische Wissenschaftler Gifford Pinchot prägte bereits 1985 den Begriff des Intrapreneurs und bezeichnete damit Mitarbeiter, die so visionär und engagiert als Angestellte in einem Unternehmen arbeiten, als wäre es ihr eigenes. Intrapreneure benötigen keine Anleitung oder Überwachung um marktbeeinflussende Innovationen hervorzubringen. Weltbekannte Beispiele wie der erste Macintosh von Appel, GoogleMail von Google oder die Klebezettel von 3M sind alles hoch disruptive Innovationen, die ohne Druck des Marktes, durch Mitarbeiter selbst entstanden sind. Über den Erfolg dieser drei Produkte braucht nicht weiter berichtet zu werden.

Die Intrapreneurship-Kultur macht das Ergebnis zum Ziel und kreiert ein Wir-Gefühl

An diesem Punkt sollte angesetzt werden: Um Intrapreneur zu werden, sollten Mitarbeiter das Gefühl bekommen, autonom zu arbeiten. D. h. sie bewegen sich in einem Rahmen der Erlaubnis, der ohne enge Grenzen das Ergebnis zum Ziel macht und Mitarbeitern dieses auf ihre eigene Weise erreichen lässt. Zusätzlich wird die Kompetenz der Mitarbeiter, also ihre individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Führungskräfte aktiv wahrgenommen und geschätzt, sodass gleichzeitig ein Wir-Gefühl geschaffen wird.

Die Ausgestaltung einer Intrapreneurship-Kultur, welche vorhandene Ressourcen nutzt, einfach zu implementieren ist, das interne Unternehmertum fördert, keine strategische Steuerung benötigt, permanent auch ohne Marktdruck Weiterentwicklungen vorantreibt und für zufriedene Mitarbeiter sorgt – eine solche Kultur halte ich für einen der wichtigsten Bestandteile einer wünschenswerten neuen Arbeitswelt (neudeutsch „New Work“). Wie man diese heute schon angeht? Indem man sukzessive an den folgenden Punkten arbeitet:

Management-Unterstützung

Es mag selbstverständlich klingen, viele Arbeitnehmer wissen indes, dass es alles andere als das ist: Es braucht Wertschätzung und konstruktives Feedback. Diese zwei Faktoren sind noch immer entscheidend für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit. Es bestärkt Betroffene darin, sich weiter in ihrer Tätigkeit zu engagieren bzw. sich in bestimmten Gebieten zu verbessern.

Gleichzeitig sollten sich Führungskräfte eine gewisse Risiko- und Fehlertoleranz aneignen. Ohne das Eingehen von Risiken sind disruptive Innovationen nur schwer möglich und wenn die Umsetzung einer Idee scheitert, war es den Versuch wert. Denn nicht jede Idee ist ein Volltreffer. Der Rahmen der Toleranz gegenüber Risiken und Fehlern sollte dabei offen kommuniziert werden. Es gilt monetäre oder sicherheitsrelevante Grenzen zu definieren, die keinesfalls überschritten werden sollten.

Autonomie und freie (Zeit-) Einteilung

Führungskräfte sollten zudem lernen, darin zu vertrauen, dass ihre Mitarbeiter ihre Arbeit selbstständig erledigen. Über eine transparente Aufgabenklärung, inklusive des Setzens eines entsprechenden Rahmens (Ressourcen, zeitliche Fixpunkte etc.) wird maximale Autonomie zugestanden. Mitarbeiter können selber entscheiden, wann und wie sie ihre Arbeit erledigen. Das was zählt, ist das Ergebnis. Führungskräfte sollten dabei immer signalisieren, dass sie jederzeit für Fragen und Hilfestellungen zur Verfügung stehen, um kein Überforderungsgefühl oder den Eindruck des Alleinlassens entstehen zu lassen.

Offene Organisationsgrenzen

Auch das interne Zusammenspiel der Organisationseinheiten muss gefördert werden: beispielsweise durch gemischte Büros, Hospitationen, gemeinsame Veranstaltungen – oder völlig anderen, eigenen Formaten, die von abteilungsübergreifenden Teams erarbeitet werden. So wird das soziale Gefüge gestärkt. Im besten Fall entsteht ein selbstgesteuerter Austausch und Mitarbeiter treiben eigenständig in überfachlicher Zusammenarbeit Ideen voran. Sie entwickeln die Organisation durch neue Impulse weiter, da sie die Erlaubnis des Managements haben und wissen, in welchem Rahmen sie sich bewegen und auch Risiken eingehen können.

Auch nach außen hin müssen sich Organisationen öffnen. Hierzu tragen regelmäßige Messebesuche, Kontakt zu Startups und die Teilnahme an Hackathons bei. Gepaart mit neueren, agilen Methoden wie Design Thinking Workshops, Innovationssprints oder Ähnliches kann ein Mindset entstehen, das dafür sorgt, dass Unternehmen sich automatisch mit den Marktanforderungen und -bedürfnissen entwickeln.

Belohnung

Es geht nicht mehr darum, sich ausschließlich über das monatliche Gehalt zu motivieren, welches keinen direkten Bezug zu tatsächlich Geleistetem hat. Für Intrapreneure ist es wichtig, sich über ihre Tätigkeit zu motivieren. Dazu gehört z. B. dass Ideen zu Innovationen aber auch eine gute Arbeitsleistung direkt und zeitnah durch „Spot Awards“ (als Geld- oder Sachprämie) belohnt werden. Neben Prämien motiviert vor allem das Arbeitsumfeld und Anerkennung durch Kollegen und Führungskräfte. Dies kann vor allem durch die oben beschriebenen Ausgestaltungsvorschläge einfach erreicht werden.

Die größten Disruptionen sind nicht durch Innovationsstrategien entstanden!

Es könnte der Eindruck entstehen, dass Unternehmen momentan enorm unter Druck stehen, sich der digitalen Transformation mit allen Mitteln beugen zu müssen. Richtig ist, dass Handlungsbedarf besteht. Doch für Unternehmen, die sich nachhaltig und zukunftsgerichtet etablieren wollen, sollte dieser ständig bestehen. Durch Fördern einer Intrapreneurship-Kultur und einer Offenheit gegenüber aktuellen und zukünftigen Entwicklungen kann ressourcenschonend so mancher Trend rechtzeitig analysiert und nachverfolgt werden. Die größten Disruptionen sind nicht durch ausgefeilte Innovationsstrategien entstanden, sondern Bottom-Up, durch eine vorhandene Ressource: den Mitarbeitern selbst. Letztendlich obliegt es dem Management, dies zu ermöglichen, vorzuleben und entscheidende Ideen aktiv zu fördern!

 

Über den Autor

Hannes Klingenberg ist Senior Analyst bei der hkp///group im Bereich Board Services. Hier beschäftigt er sich vornehmlich mit Fragen der Corporate Governance, wie zum Beispiel Vorstandsvergütung oder den Anforderungen von Stimmrechtsberatern an diese. Großes Interesse besitzt Klingenberg zudem im Bereich des digitalen und agilen Innovationsmanagements in Unternehmen. So beschäftigt er sich in seiner Dissertation momentan mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung von Intrapreneurship in Organisationen.

Der Beitrag #NewWork braucht interne Unternehmer! erschien zuerst auf Future of HR.

#HowToNewWork aus Beschäftigtensicht

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Geht #NewWork und Vernetzung wirklich nur ohne Hierarchien? Veränderung im Unternehmen kann doch auch gut gelingen, wenn es klare Strukturen gibt. Die Antwort mag von Fall zu Fall unterschiedlich sein, doch klar ist: Ohne Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, kein erfolgreicher Change. Eine Replik auf den Beitrag von Anna Kaiser und Michael H. Kramarsch.

Ob die „neuen“ Anforderungen an die Arbeitswelt es tatsächlich immer erfordern, eine klassische, hierarchische Struktur zu einer Netzwerkorganisation zu wandeln, ist zu diskutieren und kann kritisch hinterfragt werden. Es gibt Unternehmen, die auch mit eher starren, aber dafür klaren Hierarchien Veränderungs-Prozesse hervorragend umgesetzt haben. Klare Strukturen geben eben auch Sicherheit und verhindern, dass Verantwortung abgewälzt wird. Auch gibt es gesetzliche Anforderungen an die Organisation von Unternehmen, die einer Netzwerkorganisation Grenzen setzt. Hinzu kommen auch Unternehmen, die sich nur in Teilbereichen als „Netzwerk“ organisieren können oder wollen.

Aber unterstellen wir, die Beschäftigten und das Unternehmen möchten sich von einer Top-Down-Kultur zu einem innerbetrieblichen Netzwerk entwickeln: Gibt es eine Schnittmenge, in der in jedem Unternehmen, egal mit welcher Organisationsstruktur, Netzwerken befördert werden kann?

Ein offenes Ohr nahe an der Belegschaft

Wer erfolgreich sein will, muss Potenziale ausschöpfen. Dazu müssen Führungskräfte aber wissen, welche Talente im Unternehmen schlummern und welche Ideen bereits in den Köpfen keimen, um die Herausforderungen der Zukunft (u.a. Digitalisierung, Demographischer Wandel, Erhalt der Arbeitsfähigkeit) zu meistern.

Nur mit „Kontrolle abgeben können“ wird Veränderung nicht vollzogen. Es bedarf einer Kultur der Wertschätzung. Einer Kultur die Zuhören kann. Einer Kultur die Ideen, seien sie auf den ersten Blick noch so „verrückt“, einen Raum gibt und Fehler bzw. Misserfolge akzeptiert. Kurz: Es bedarf einer Unternehmenskultur, die Veränderungen (auch von Bottom-up) zulässt.

Liebe Führungskräfte, geht zur Mannschaft und redet miteinander. Ein offenes Ohr bewirkt, dass sich oftmals viele Verbesserungspotenziale entdecken lassen. Vielleicht findet sich darunter auch der Hinweis, verstärkt netzwerken zu wollen oder die Notwendigkeit, Veränderungen besser, aber ggf. auch nachhaltiger, umzusetzen.

Das Gute liegt oft so nah

Führungskräfte stehen oftmals vor dem Problem, dass sie nicht alle relevante Informationen erreichen. Auch fällt es nicht jeder Führungskraft leicht, in direkten Austausch mit der eigenen Mannschaft zu gehen, sei es der Zeit oder anderen Hemmnissen geschuldet. Die Belegschaft wiederum ist oft nicht völlig offen gegenüber ihren Vorgesetzen. Hier greift ein wichtiger Aspekt der gesetzlichen Mitbestimmung. Denn wer ist nah an der Belegschaft? Wer weiß, ob veränderte Prozesse funktionieren? Wer ist erster Ansprechpartner für Schwierigkeiten innerhalb des Arbeitslebens? Der Betriebsrat und die Vertreter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat.

Kulturveränderungen setzen einen breiten Konsens im Unternehmen voraus. Wer Veränderungs-Prozesse erfolgreich managen will, muss daher immer die Mitbestimmungsgremien der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Beginn an und umfassend einbeziehen und sich so „das Leben einfacher machen“. Betriebsräte aber vor allem Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wissen, wenn Veränderungen sich nicht umsetzten lassen und können dies zeitnah mitteilen. So können Anpassungen vorgenommen werden, bevor es zu Frust in der Organisation kommt. Es gibt wenig Menschen in einem Unternehmen, die die täglichen unternehmensinternen Probleme so genau kennen und zugleich einen Blick für die anstehenden Herausforderungen, vor denen das Management steht, haben. Ein Unternehmen ist daher gut beraten die Mitbestimmungsakteure als wertvolle Schnittstelle zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft zu verstehen. Dies gilt in der „neuen Welt“ noch mehr als in der „alten Welt“.

Es gelten Mitbestimmungsgesetze!

Viele Unternehmen haben verstanden, den Betriebsrat und Aufsichtsrat als Partner mit den gleichen Zielen zu verstehen und leben damit schon einen Aspekt einer Bottom-up-Kultur. Manche Manager allerdings „üben“ sich darin noch oder verletzten gesetzliche Mitbestimmungsrechte bewusst. Den Vertretern der Beschäftigten stehen aber „harte“ gesetzliche Mitbestimmungsrechte zu. Deren Nichtbeachtung ist nicht nur ein (neudeutsch) Compliance-Verstoß, sondern gefährdet oder verzögert maßgeblich die Umsetzung von Veränderungsprozessen. Veränderungen der Arbeitsorganisation ohne Einbeziehung des Betriebsrats sind beispielsweise unwirksam. Wenn die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (z.B. aus § 87 BetrVG) jedoch beachtet werden, ist dies ein zentraler Schritt dahingehend, dass der Change-Prozess legitimiert und von einer weiteren Instanz – dem Betriebsrat – mit nach vorne getragen wird. HR-Abteilungen und Führungskräfte sollten dies bedenken.

Fazit

How to New Work sollte darauf fußen die spezifischen Kenntnisse und Bedürfnisse der Beschäftigten kennen zu wollen und die Einbindung derer und der Mitbestimmung (Betriebsrat und Aufsichtsrat) als selbstverständlich zu erachten. „Hand in Hand“ wird dann eine (legitimierte) Grundlage für einen Change Prozess geschaffen. Der dafür notwendige Ordnungsrahmen muss daher auf einer Sozialpartnerschaft aufbauen, die eine wertschätzende Kultur des Vertrauens und der Verantwortung beinhaltet. Die direkte Beteiligung der Beschäftigten, der Mitbestimmungsakteure im Unternehmen sowie der Gewerkschaften sind Bedingungen für das Gelingen. Turnschuhe und Duzen sind dabei völlig egal.

Alle Führungskräfte sind aufgefordert „#HowToNewWork – die Netzdebatte“ nicht nur im Internet, sondern vor allem mit ihren Beschäftigten und deren Vertretern in Aufsichts- und Betriebsräten, zu führen. Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung – I.M.U. der Hans-Böckler-Stiftung fördert durch Hilfestellungen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch für die Unternehmen eine kooperative Sozialpartnerschaft und damit auch den beschriebenen und notwendigen Diskurs.

 

Über die Autoren:

Dr. Lasse Pütz  und Marion Weckes leiten jeweils ein Referat im Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung. Sie beraten und schulen  Aufsichtsräte zu  gesellschafts- und mitbestimmungsrechtlichen Fragen und  insbesondere in den Themen Corporate Governance, Unternehmensmitbestimmung, Vorstandsvergütung, Aktienrückkaufprogramme und Rechnungslegung. Beide sind selbst langjährige Aufsichtsratsmitglieder. In ihrer Funktion als Aufsichtsräte haben sie Change-Prozesse zwar in der Theorie oft gut begründet bekommen, aber auch die praktischen Probleme in der Umsetzung miterlebt. Für sie fußt ein erfolgreicher Veränderungsprozess auf Wertschätzung und dem Miteinander. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist für sie ein zentraler Bestandteil unserer Demokratie.

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Vom New Work Blitz getroffen

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Wo geht´s zum Arbeitsplatz der Zukunft? Bei dieser Frage würden unzählige Unternehmen die Hand heben und energisch HIER rufen. Denn einige haben viel Zeit und Geld in ihre Konzepte investiert. Sie ersetzten alte Strukturen durch kollaborative Arbeitsformen. Und erklären sich stolz zum „Arbeitgeber der Zukunft“. Oder weltmännischer zur „New Work Company“.

Das Arbeiten nach den Prinzipien des sozialen Netzwerkens gerät in Unternehmen zunehmend en vogue. Manche Firma scheint die Ära traditioneller Entscheidungswege und Präsenz-Meetings bereits ganz hinter sich gelassen zu haben – zugunsten von Homeoffice, Co-Working Spaces und virtuellen Spielzeugen wie Slack oder Skype for Business. „Activity Streams“ und „Whats´Apps“ ersetzten schon lange die E-Mai Kommunikation, und aus schnöden Projektgruppentreffen werden weltweit vernetzte Business-Communities.

Informalisierung, Design Thinking und agiles Arbeiten

Einverstanden: New-Work-Konzepte, die in erster Linie durch Homeoffice oder eigenverantwortliches Arbeiten geprägt sind, erleichtern die Arbeit enorm. Jedermann kann über eine Art Informalisierung der Arbeit jederzeit Wissen und Informationen frei austauschen und für sich verfügbar machen. Damit fühlt sich der Kollege am anderen Ende der Welt auf einmal ganz nah an.

Inhalte lassen sich bequem teilen, gemeinsam bearbeiten, kommentieren und Ergebnisse flott austauschen. Mancher Unternehmensvertreter mag zu Recht davon schwärmen, durch Design Thinking oder agiles Arbeiten die Arbeitsumgebung erst so richtig attraktiv für die Mitarbeiter gemacht zu haben – belohnt durch enorme Kosten- und Zeitersparnis sowie höhere Produktivität.

Das Grundproblem bei der Interpretation von New Work

Vor diesem Hintergrund wundert es mich umso mehr, dass doch noch viele Firmenvertreter die neuen Arbeitsweisen in erster Linie als prozessorale und technologische Herausforderung verstehen. Ich erkläre es mir damit, dass sie die sich verändernden Sichtweisen darauf, wie man gerne arbeiten möchte, erst durch den Einsatz von Prozess-Werkzeugen und kollaborativen Technologien begreifen. Dabei wird leider häufig übersehen, welche strukturellen Schwierigkeiten New Work mit sich bringt.

Im definitorischen Sinne hat New Work im Wesentlichen eine menschliche, eine gesellschaftliche sowie eine organisatorische Facette. So sagt es zumindest Frithjof Bergmann, ein US-amerikanischer Philosoph mit österreichischen Wurzeln. In Projekten sehe ich häufig, dass bestenfalls die organisatorische Dimension bedient wird. Den Menschen haben viele nicht im Visier, ganz zu schweigen von der Gesellschaft. Hier liegt meiner Ansicht nach das Grundproblem bei der Interpretation von New Work.

New Work als Vehikel, und nicht als Botschaft

Denn während viele Anbieter und Berater die Vorteile der neuen Arbeitswelt über den Klee loben, stellen die Betroffenen ihren persönlichen Mehrwert erst einmal in Frage. Die Hochschule Niederrhein hat sogar in einer Hypothese zur Arbeitswelt 2030 publiziert, dass bei anhaltender Digitalisierung und Veränderung wieder die Sehnsucht nach dem persönlichen Büro entstehen werde. Daraus spricht der Mensch hinter dem Mitarbeiter. Aber wir müssen nicht erst bis 2030 warten, schon heute sorgen sich Mitarbeiter darum, vor lauter open workspaces und virtuellen Meetings nicht die persönliche Beziehung zu den Kollegen und Vorgesetzten zu verlieren.

Denn eines ist klar: nicht alle Arbeitsformen brauchen einen New Work Ansatz. Das Medium selbst darf nicht zur bloßen Botschaft werden, nur, weil die Community New Work zu einem Technologie-, und Organisationsthema degradiert hat. Vielmehr sollten die New Work Initiativen zu ihrem Ursprungsgedanken zurückkehren und als Selbständigkeit, Freiraum und Teilhabe für jeden einzelnen angegangen werden. Also New Work als Vehikel, und nicht als Botschaft.

 

Über die Autorin

Silvia Hänig verfügt über mehr als 15 Jahre internationale und nationale Beratungs- und Kommunikations-Management-Erfahrung bei Innovationsführern, High-Tech Unternehmen sowie Professional Services Anbietern. Sie lenkt strategische Kommunikationsprojekte auf Top-Management Ebene und führt Teams, steuert aber auch die tägliche Themen-Performance langfristig angelegter Positionierungsvorhaben. Ihr Beratungsfokus ist es, Unternehmen bei der Neuausrichtung des Geschäftsmodells auf dem Weg des digitalen Wandels kommunikativ zu unterstützen.

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New Work – auf dem Weg in die neue Arbeitswelt

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Wie geht #NewWork, wo fängt man an? Die Antwortet hängt von zwei Fragen ab: Wie will ich in Zukunft arbeiten? Und: Wie wollen wir künftig zusammenarbeiten? Sie bilden für mich die Grundlage für eine Zukunft, in der wir Digitalisierung und Vernetzung in unserem Sinne ausschöpfen – persönlich und unternehmerisch.

 

New Work aus persönlicher Perspektive

Also starten wir mal mit der persönlichen Betrachtung. Die Frage „Wie will ich arbeiten?“ klingt zwar erst mal recht trivial. Und ja, oberflächlich, lässt sich so eine kurze Frage auch relativ schnell beantworten. Wenn wir jedoch in die genauere Betrachtung gehen, dann wird es fast schon philosophisch. Denn die Frage zwingt uns förmlich dazu, uns mit unseren persönlichen Bewertungsmaßstäben auseinandersetzen:

Was ist mir wichtig? Was möchte ich mit meiner Arbeit bewirken? Was brauche ich, damit mir meine Arbeit gut tut? Welchen Maßstäben folgt mein heutiges Tun? Sind das meine persönlichen Maßstäbe, oder folge ich impliziten Regeln meines Umfelds? Was davon macht überhaupt Sinn?

Das eigene Denkmodell über Arbeit hinterfragen

Dabei hilft es auch das eigene Denkmodell über Arbeit zu hinterfragen. Denn was Arbeit ist, darüber gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Für die einen ist Arbeit ein Synonym für Erwerbsarbeit oder genauer gesagt, die entlohnte Zeit, die man für ein Unternehmen tätig ist. Worauf diese Tätigkeit abzielt, ist erst einmal zweitrangig. Für mich persönlich ist Arbeit der Versuch, wertschöpfend tätig zu sein. Daraus folgt: nicht immer, wenn ich am Schreibtisch sitze und etwas für die Firma tue, arbeite ich! Gleichzeitig bin ich nicht automatisch untätig, wenn ich zu Hause auf dem Sofa sitze. Denn Wissensarbeit, lässt sich in kein Gebäude sperren und an keinen Ort binden. Sie passiert manchmal auch einfach nur so – beispielsweise, wenn beim Duschen plötzlich die langersehnte Idee als Geistesblitz über mich kommt.

Aber zurück, zu unserer Ausgangsfrage: „Wie will ich arbeiten?“ Hier kann es aus meiner Sicht keine abschließende Antwort geben. Denn in ihr spiegeln sich Präferenzen wider, die Ausdruck der persönlichen Entwicklung, der aktuellen Lebensumstände wie auch des beruflichen Umfelds sind.

Die Organisations-Perspektive: Wie wollen wir in Zukunft zusammenarbeiten?

Wie sieht das nun mit der zweiten Frage auf dem Weg zu „New Work“ aus? Hier fragt sich ein Team oder eine ganze Organisation: „Wie wollen wir zusammenarbeiten?“ Das klingt jetzt erst Mal nach chilliger Sofaecke und Tischkicker. Und auch wenn die Frage erst mal ganz harmlos und unschuldig daherkommt, hat sie es doch faustdick hinter den Ohren.

Wer diese Frage offen stellt, der wird sich, wenn alles gut läuft, intensiven Auseinandersetzungen stellen dürfen. Damit meine ich aber nicht, Konflikte zwischen unternehmerischen und persönlichen Interessen. Vielmehr ist es eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Perspektiven auf die gemeinsame Wertschöpfung. Denn die Auffassungen bezüglich gelingender und gelungener Wertschöpfung sind oft sehr unterschiedlich.

Durch einen Aushandlungsprozess eine gemeinsame Basis schaffen!

Wie schaffen wir den besten Mehrwert für unsere Kunden? Was braucht es, damit wir auch in Zukunft attraktive Partner für unsere Kunden sind? Welchen Prinzipien möchten wir dabei folgen? Wie wollen und müssen wir als Team agieren, damit wir unsere Ziele erreichen?

Und so wird ein Aushandlungsprozess notwendig, der dem Ziel dient, eine gemeinsame Basis zu schaffen, die das gemeinsame Tun unterstützt und gleichzeitig Raum für Vielfalt lässt.

Und vielleicht so viel schon mal vorab: wenn dieser Prozess in einem Team oder einer Organisation keine Konflikte verursacht, dann sind die Ergebnisse für die Katz‘. Denn es braucht eine kritische Reflexion bestehender Regeln der Zusammenarbeit wie auch neu entwickelter Grundsätze. Auch, wenn wir in unserem Kulturkreis eher konfliktscheu agieren, so steckt in der Auseinandersetzung unterschiedlicher Interessen und Blickwinkel ein riesiges Potential, für die eigene wie auch für die unternehmerische Entwicklung.

Vorhandenes Potenzial erkennen und erschließen – anstrengend, aber lohnenswert!

Teams, denen es gelingt, Konflikte konstruktiv zu lösen, legen damit das Fundament für ein Arbeitsumfeld, an dem Menschen sich mit all ihren Fähigkeiten, Erfahrungen und Ideen einbringen. Und mit diesem verlässlichen Fundament lassen sich dann auch herausfordernde Situationen einfacher meistern.

„Klingt ganz schön anstrengend!“ mag jetzt die eine oder der andere denken. Mmh, ja – irgendwie schon. Aber ich bin davon überzeugt, es ist die Anstrengung wert. Denn dabei lernst Du Dich nicht nur selbst besser kennen und entwickelst Dich weiter. Auch für die Organisation bietet dieses Vorgehen die Möglichkeit, das vorhandene Potential zu erkennen und zu erschließen.

Meine wichtigsten Erkenntnisse…

Und was bedeutet das nun für Eure ersten Schritte hin zu New Work? Nun an dieser Stelle teile ich gerne meine wichtigsten Erkenntnisse der letzten fünf Jahre mit Euch:

„Der Weg ist das Ziel“
Und das bedeutet, dass Ihr schlussendlich nie ankommen werdet. Das klingt zuerst einmal nach Sisyphusarbeit, aber am Ende ist es vielmehr ein Roadtrip mit ein paar Streckenabschnitten durch unwegsames Gelände, ein paar chilligen Stationen zum Durchatmen aber auch ein paar aufregenden Wildwasserabfahrten. Und so erwarten Euch zwischendurch nicht nur Strapazen sondern auch ein paar spannende, faszinierende und erkenntnisreiche Stationen. Versprochen!

„Blaupausen Ade!“
Es gibt nicht den einen richtigen Weg! Was für andere funktioniert, muss weder für Dich, noch für Euch als Team passen. Wenn Ihr den Weg, den Ihr beschreitet, offen und neugierig geht, dann werdet Ihr auch zu wirksamen Lösungen kommen. Und so gibt es kein richtig und kein falsch, sondern hilfreiche oder weniger hilfreiche Lösungen.

„A fool with a tool is still a fool“
Oder anders formuliert Tools sind Tools und kein Allheilmittel. Und auch wenn das digitale Zeitalter noch so viele digitale Tools hervorbringt und hypt, so bleiben sie stets nur Hilfsmittel und nie „DIE“ Lösung. Am Ende entscheiden immer die Nutzer, durch ihre Haltung und Kompetenz, genauso wie die Anforderungen und die Unternehmenskultur über den gewinnbringenden Einsatz von Tools entscheiden. Und manchmal tuen es auch einfach nur Stift, Papier und eine Pinnwand.

„Form follows function“
Wenn Organisationen vom Bauhaus-Prinzip lernen, dann ist schon viel gewonnen. Denn dann folgen Strukturen wie auch Prozesse dem Unternehmenszweck und es wird alles weggelassen, was nicht diesem Ziel dient. Bei der Überprüfung bestehender Prozesse helfen zwei Fragen: In welcher Weise unterstützt der Prozess oder das Vorgehen den Unternehmenszweck? Wie könnten einfachere Lösungen aussehen?

Gute Gründe, keine Antwort zu finden

Okay, das war Dir jetzt alles zu unkonkret? Dann zum Abschluss noch ein ganz persönlicher Tipp:

Schnapp Dir ein Büchlein und schreibe dort die Frage rein, die Dich, in Bezug auf deine Arbeit im Moment am meisten bewegt. Und egal wie sie lautet, schreibe auf die nächste Seite die Antwort zur folgenden Frage: Was sind gute Gründe dafür, keine Antwort auf deine Frage zu finden? Manchmal sabotieren wir uns nämlich unbewusst selbst, weil wir Angst vor den vermeintlichen Konsequenzen haben. Doch sobald wir die Gründe aufgeschrieben haben, können wir uns mit ihnen auseinandersetzen. Und nun suche Dir drei Personen, mit denen Du Deine Frage und Deine Antworten diskutierst.

Bei der Beantwortung Deiner Frage wünsche ich Dir nun eine erkenntnisreiche Zeit und einen guten Start auf Deiner Reise zu „New Work“.

 

Über die Autorin

 

Bild von Nadine Nobile
New Work-Enthusiastin und Mitinitiatorin der #NewPay-Blogparade im Herbst 2017.

Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X. Sie ist bekennende New Work Enthusiastin und unterstützt Menschen in Unternehmen als Prozessbegleiterin und Coach in Veränderungsprozessen. Potentiale erkennen und Entfaltung ermöglichen, lautet dabei ihr Leitsatz. Kooperation, Kollaboration und Ko-Kreation sind für sie die Schlüssel zur Zukunft der Arbeit. Gemeinsam mit Stefanie Hornung und Sven Franke initiierte sie im vergangenen Herbst eine Blogparade zu Vergütungsmodellen im Kontext der neuen Arbeitswelt. Im Spätherbst 2018 erscheint ihr gemeinsames Buch „New Pay – Alternative Arbeits- und Entlohnungsmodelle“ im Haufe-Verlag.

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New Work: Vertrauen, Verantwortung, Versprechen

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New Work kann unser Leben flexibilisieren, es kann ein Aufstiegsversprechen für alle sein und mit einer „Kultur des konstitutionellen Jas“ ein nachhaltiges Innovationsumfeld schaffen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass New Work als Vorteil einiger weniger wahrgenommen wird. In welche Richtung es geht, entscheiden Staat, Unternehmen und jeder Einzelne.

Digitalisierung & ihre Ebenen

Geht man einfach-definitorisch davon aus, dass die Digitalisierung ein technologischer Prozess ist, der die bestehende Wirtschafts-, Staats- und Gesellschaftsordnung neu strukturieren wird, so lässt sich diese allgemeine Feststellung als Epochenwechsel und Metaebene, die alle weiteren Ebenen involviert, begreifen.

Die Metaebene umgibt die Makro-, Meso- und Mikroebene (siehe Abbildung). Die Makro-Ebenen bilden dabei die Wirtschaft, Staat und Gesellschaft. Die Meso-Ebene wird beispielsweise gebildet aus Unternehmen, staatlichen Institutionen sowie gesellschaftlichen Organisationen. Auf der Mikroebene stehen Arbeitnehmer*innen, Bürger*innen und deren soziale Handlungen in sozialen Gruppen im Mittelpunkt. Für die Frage von #HowToNewWork soll daher hauptsächlich auf die wirtschaftliche Mikroebene der Digitalisierung eingegangen werden.

Wirtschaft Staat Gesellschaft
Makro Wirtschaftssystem Politisches System Gesellschaft/Kultur
Meso Unternehmen Institutionen (Verwaltungen, Gerichte, Parlamente, Bildungseinrichtungen) Organisationen (Vereine, Parteien, Gewerkschaften)
Mikro Arbeitnehmer*innen Bürger*innen Soziale Handlungen von Individuen (z.B. in sozialen Netzwerken)

 

New Work braucht Zusammenhalt

Doch auch in dieser Ebene gibt es nicht die eine Antwort, wie es auf die Herausforderungen der Digitalisierung einzugehen gilt. Während das aufstrebende Berliner Start-Up über flexible Arbeitszeitmodelle sprechen kann, müssen sich Packerinnen und Packer von Onlineversanddiensten von Trackern überwachen lassen. Hier entstehen divergierende Wahrnehmungen und auch unterschiedliche Lebenswelten der Digitalisierung: Für die einen schafft sie neue Freiheit, für die anderen neue Zwänge.

Dieses Spannungsfeld kann zu einem neuen politischen Cleavage führen. Daher sollten man immer wieder die Entwicklungen der digitalen Transformation im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Blick behalten und versucht werden, Lösungen hierfür zu finden. Auch dann, wenn augenscheinliche Fehlentwicklungen das eigene Leben nicht oder nur mittelbar tangieren. So ließe sich beispielsweise die Frage aufwerfen, ob von Arbeitnehmer*innen produzierte und vom Unternehmen erfasste Daten als eigenständig zu entlohnendes Gut, neben der Arbeitskraft, im Arbeitsvertrag aufzuführen sind.

New Work als Aufstiegsversprechen

Betrachtet man die Digitalisierung als Zeit gesellschaftlicher Neuordnungsprozesse, dann müssen Unternehmen, Verwaltungen und Verbände sich auf diese Neuordnung einstellen und lieb gewordene Gewohnheiten auf den Prüfstand stellen. So beginnt die Frage von #HowToNewWork bereits bei der Einstellungspolitik von Unternehmen. Diese muss sich ändern, denn die technischen Innovationen der letzten Jahre förderte eine Generation von „Digital Natives“ zutage.

Viele lernten es in der Schule oder sind Autodidakten: Sie wissen wie man Apps programmiert oder zielgerichtet soziale Medien bedient, wie digitale Prozesse in ihnen wirken oder sie kennen sich mit technischen Komponenten moderner Kommunikationsmittel aus. Zugegeben: Jeder Mensch bringt unterschiedliche Voraussetzungen mit sich. Doch es gilt die „hidden Talents“ unserer Gesellschaft zu finden und immer wieder berufsbegleitend zu „empowern“ – ganz unabhängig, ob es sich um eine*n Schul-, Studien- oder Ausbildungsabbrecher*in handelt. So kann New Work zu einem Aufstiegsversprechen von Unternehmen an die Gesellschaft werden, das gefördert werden muss.

Jede Idee ist eine gute!

Neue Zeiten verlangen neues Denken. Für viele Menschen ist unsere Zeit zu unübersichtlich, da sich das Altbekannte auflöst und zu etwas Neuem strukturiert. Diesem Umstand muss in der Unternehmenskultur Rechnung getragen und alte Mechanismen über Bord geworfen werden. Daher braucht es eine Kultur des „konstitutionellen Jas“. Das heißt, in Arbeits- und Teamrunden werden Ideen zunächst nicht auf ihre Schwachpunkte untersucht, sondern Gründe dafür hervorgebracht, warum die Idee eine gute Idee ist und wie man sie umsetzen kann.

Dies hilft dabei, alte Pfade zu verlassen, um neue zu erkunden und zu gehen; denn die alten werden in modernen Zeiten nicht mehr ans Ziel führen. Also gilt es, Neue zu finden. Diese Denkweise unterstützt dabei die Mitarbeiter*innen, sich immer wieder neu einzubringen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten: Das Unternehmen bleibt auch aus sich selbst heraus innovativ und die Mitarbeitenden können auch im Kleinen mitbestimmen.

Verantwortung und Vertrauen statt Kontrolle

Die technischen Möglichkeiten machen viele Dinge möglich. So können Konferenzen per Video-Call, Telefonkonferenzen oder allgemeinere Geschäftsaufgaben auch problemlos von unterwegs, zuhause oder aus Coworking Spaces heraus abgehalten und erledigt werden. Dieser Umstand flexibilisiert das Arbeitsleben noch weiter. So wird Home Office immer stärker nachgefragt und wahrgenommen werden. Gerade für zum Beispiel junge Familien oder Alleinerziehende ist dies ein Vorteil, um flexibel bleiben zu können.

Doch wie so oft: Neue Freiheit bedarf auch neuer Verantwortung. Denn auch diese Freiheit will verantwortungsbewusst im Unternehmen und im Team organisiert werden. Eine Flexibilisierung der Arbeitszeit bedeutet also nicht, ins Büro zu kommen, wann es passt, sondern sich mit anderen Kolleg*innen abzustimmen und zu organisieren, um Verständnis und Vertrauen im Team aufrechtzuerhalten und zu fördern.

Die freien Jahre

Die Auswirkungen der Digitalisierung werden lange spürbar bleiben. Der Arbeitsmarkt wird sich weiter flexibilisieren, Arbeitsplätze mit einfacher Tätigkeit werden perspektivisch verloren gehen, dafür an anderer Stelle Arbeitsplätze mit höherwertigeren Tätigkeiten neu entstehen. Auf diese Entwicklungen muss der Staat auf der Makroebene eingehen und seinen Bürger*innen auch Möglichkeiten des Verschnaufens geben.

Ein Sabbatical ist der breiten Arbeitnehmerschaft ein Fremdwort, aber es bildet eine innovative Antwort auf die neuen Zeiten. So könnte man sich drei Jahre Zeit für sich nehmen; die „freien Jahre“. Diese Zeit soll man für sich nehmen und selbst entscheiden, wie man die Zeit verbringt. Weder Staat noch Wirtschaft sollen in dieser Zeit Zugriff auf den Menschen haben. Die freien Jahre können im Stück oder in Teilen beansprucht werden. Nach der Ausbildung oder dem Studium eine längere Reise begehen, um im jungen Alter die Welt mit eigenen zu Augen entdecken? Im mittleren Alter einfach mal ein paar Monate ausspannen und machen, was man sich schon so lange vorgenommen hat? Die freien Jahre im höheren Alter nutzen, um die Zeit bis zur Rente zu überbrücken oder nochmal studieren?

So vielseitig wie die Möglichkeiten der Einteilung der freien Jahre, sollen die Möglichkeiten sein, die sie konkret bieten. Für mich ist klar: Der Staat muss die freien Jahre befähigend finanzieren. Über die Ausgestaltung der freien Jahre muss gesamtgesellschaftlich gesprochen werden, doch schon hier ließe sich der Kulturwandel hin zum konstitutionellen Ja anwenden.

Den Erfolg von New Work müssen alle spüren!

Dies sind nur einige Vorschläge, die Antworten auf die Frage #HowToNewWork geben können. Zentral für die positive Wahrnehmung des Begriffes New Work wird aber sein, dass er nicht als exklusiver Vorteil einiger weniger wahrgenommen wird, sondern dass er als Beitrag die Arbeit aller Angestellten in die neue Zeit trägt. Vom großen Unternehmen über das Start-Up, von der Handwerkerin bis zum Packer: Der Erfolg von New Work muss sich also daran messen lassen, ob es branchenübergreifend und flächendeckend möglich sein wird Strukturen, Prozesse und allgemeine Arbeitsbedingungen für alle zum Positiven zu verändern.

 

Über den Autor

Stefan Krabbes (31) ist Blogger und Büroleiter des Bundestagsabgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Er studierte Politikwissenschaft & Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er beschäftigt sich auf seinem Blog mit den Themen Demokratie in sozialen Medien sowie den Auswirkungen und den Gestaltungsmöglichkeiten der Digitalisierung, die er als Industrialisierung unserer Zeit versteht. Stefan Krabbes ist aktives Mitglied im Verein Fearless Democracy, einem Netzwerk von Kommunikationsprofis, die sich für die Zivilgesellschaft und für ein Netz ohne Hass einsetzen.

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Small moments matter – Zeit und Anerkennung als neue Währung

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Es gibt rund eine Million Überbeschäftigte in Deutschland, die ihre Arbeitszeit gerne reduzieren möchten (Quelle: Destatis). Bereits Ludwig van Beethoven wusste, dass es für uns „nichts Edleres und Kostbareres als die Zeit“ gibt und auch US-Motivationstrainer Jim Rohn führte aus: „Zeit ist mehr wert als Geld. Man kann mehr Geld verdienen, aber nicht mehr Zeit.“ Diese Bedeutung spiegelt auch die jüngste McDonald’s Rewards Study – und weist damit den Weg in Richtung #NewWork.

Wo geht´s zum Arbeitsplatz der Zukunft? Bei dieser Frage würden unzählige Unternehmen die Hand heben und energisch HIER rufen. Denn einige haben viel Zeit und Geld in ihre Konzepte investiert. Sie ersetzten alte Strukturen durch kollaborative Arbeitsformen. Und erklären sich stolz zum „Arbeitgeber der Zukunft“. Oder weltmännischer zur „New Work Company“. Rar sind indes harte Fakten, die den Bemühungen um neues Arbeiten zugrunde liegen. Licht ins Dunkeln bringt jedoch unter anderem die McDonald’s Rewards Study. Diese haben wir im Juni/ Juli 2018 in neun Ländern durchgeführt und dabei über 3.700 Mitarbeiter in einer Stichprobe befragt – sowohl Mitarbeiter in unseren Restaurants als auch in den Verwaltungseinheiten der einzelnen Länder. Die erhaltenen Ergebnisse deuten an, wo wir als Arbeitgeber im Bereich New Work ansetzen müssen.

Zeit versus Geld

Bei der Frage, welches zukünftige Benefit sich unsere Mitarbeiter am meisten wünschen würden, entschieden sich 15% der Crew und 23% unsers Managements in den Restaurants für mehr bezahlte freie Zeit. 62% unserer Crew und 73% unseres Restaurantmanagements würden sogar auf Vergütung verzichten wollen, um mehr Urlaub zu erhalten. Bei den Mitarbeitern in unserer Verwaltung sind es dagegen nur 12%, für die mehr bzw. unbegrenzte freie Zeit das attraktivste zukünftige Benefit wäre, und 54% antworteten, sie würden gerne auf Vergütung verzichten, um mehr Urlaub zu erhalten.

Yvonne Prang, Senior Director Rewards, McDonald’s Corporation, spricht am 07.11.2018 auf dem Deutschen Vergütungstag in Berlin.

Flexibilität

Arbeitszeitflexibilität ist für 95% der Mitarbeiter in unseren McDonald’s Restaurants wichtig bis sehr wichtig, für 93% der Mitarbeiter in unserer Verwaltung. Dabei gibt es nur geringe Unterschiede zwischen Männern (91%) und Frauen (94%) und so gut wie keine Unterschiede bei einer Auswertung nach Alter, Arbeitszeit, Zugehörigkeit zum Unternehmen und anderen demographischen Merkmalen.

Digitalisierung

Die rasch voranschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt bedeutet, dass vor allem Smartphone und Co. die Arbeit zeitlich und räumlich neu definieren – die „Entgrenzung“ von Arbeitszeit und Arbeitsort. Flexibilität in Form von Gleitzeit und Homeoffice gehören bereits zum Standard, darüber hinaus gibt es laut der ManPower Studie ein wachsendes Interesse an verkürzten Arbeitswochen. Arbeit und Zeit wird anders gestaltet und anders erlebt.

Veränderter Begriff von Karriere

Die Höhe des Grundgehalts muss bei einer entsprechenden Ausbildung und Erfahrung  dem Marktwert entsprechen, wird aber immer mehr zum Hygienefaktor. Wer materiell gut über die Runden kommt, rückt andere Interessen wie z.B. Freizeit stärker in den Mittelpunkt. Beförderungen werden nicht selten abgelehnt, wenn aus Sicht der Mitarbeiter die zu erwartende Gehaltserhöhung die absehbaren Einschränkungen im Privatleben nicht wettmacht.

Darüber hinaus werden Pausen in der Berufstätigkeit bzw. Sabbaticals zur Normalität. 84% der Millenials rechnen laut der bereits zitierten ManPower Studie damit, im Laufe ihres Berufslebens signifikante Unterbrechnungen oder Pausen einzulegen. Erwerbsbiographien sind nicht mehr linear durch einen Aufstieg auf der Karriereleiter geprägt, Karriere findet in Wellen statt. In der Mitarbeiterentwicklung gilt: Freizeit wird zur neuen Währung, es sind die kleinen Momente, die zählen.

Demographie und Attraktivität als Arbeitgeber

Arbeitgeber können es sich nicht leisten, die Wünsche ihrer Mitarbeiter nach Flexibilität zu ignorieren. Es gilt, für verschiedene demographische Gruppen attraktiv zu sein: jüngere Bewerber am Anfang ihrer Berufstätigkeit, bereits im Unternehmen beschäftigte oder zu rekrutierende Fachkräfte, ältere Mitarbeiter mit Fachexpertise – insbesondere, wenn diese durch eine Verschiebung des Renteneintrittsalters immer länger arbeiten sollen und ggf. über das Renteneintrittsalter hinaus in begrenztem Umfang auch wollen.

Allerdings muss ein Unternehmen bei allen Wünschen nach individueller Flexibilität weiterhin funktions- und wettbewerbsfähig bleiben. Die Herausforderung, die eine Organisation dabei lösen muss: Arbeit neu zu definieren.  Mitarbeitern ein gemeinsames Verständnis der Unternehmensziele und ihres individuellen Wertbeitrags zu vermitteln, die Frage nach dem Sinn zu beantworten, Gemeinsamkeit herzustellen, sowie den Umgang miteinander, die Kultur, nachhaltig zu prägen.

New Work – New Deal

Wenn das monatliche Grundgehalt dabei immer mehr zum Hygienefaktor wird, womit können Unternehmen sich im Bereich Rewards noch differenzieren und Mitarbeiter motivieren?

Motivation wird zu einem großen Teil intrinsisch, aus dem Mitarbeiter selbst heraus generiert. Im Arbeitsumfeld ist die Zufriedenheit mit der Tätigkeit ausschlaggebend und wirkt insbesondere positiv, wenn die Tätigkeit als sinnstiftend erlebt wird. Umso wichtiger ist es für Unternehmen daher, Mitarbeitern das „Warum“, den Sinn zu vermitteln.

Die meisten klassischen Incentivesysteme sind darauf ausgerichtet, Motivation extrinsisch zu beeinflussen. Pay for Performance, individuelle Boni & Co haben alle eines gemeinsam: Sie sollen menschliches Verhalten auf ein bereits bekanntes Ziel hin ausrichten und eine wie auch immer geartete Belohnung für dessen Erreichen ausloben, um damit Mitarbeiter zu motivieren. Kurz: Wenn A dann B.

Die Krux dabei: In einem volatilen Umfeld wird aus A schnell einmal etwas ganz anderes. Für Mitarbeiter ist der Weg zwischen A und B manchmal so abstrakt, so weit weg, dass er seinen Beitrag nicht wirklich erkennen kann. In diesen Fällen läuft ein solches Incentivesystem ziemlich schnell ins Leere.

In vielen Unternehmen sehen wir deshalb einen deutlichen Trend zu Profit Sharing, d.h. die Mitarbeiter am gemeinsamen Erfolg teilhaben zu lassen und weniger auf die individuelle Leistung des einzelnen abzustellen.

Small moments matter – Anerkennung

Durch verschiedene Formen kann ein Unternehmen Anerkennung flexibler und persönlicher gestalten. Ob der individuelle Beitrag eines Mitarbeiters oder eines Teams dabei materiell über eine Geld- oder Sachprämie, in Form von zusätzlicher Freizeit oder eher immateriell erfolgt, ist dabei von nachgelagerter Bedeutung. Ausschlaggebend für die Motivation ist, dass Anerkennung direkt, zeitnah und möglichst öffentlich, d.h. vor den Arbeitskollegen, erfolgt.

In unserem Engagement Survey haben wir unsere Mitarbeiter im Restaurant in 10 Ländern befragt.  Diejenigen Mitarbeiter, die gerade eine entsprechende Anerkennung ihres Managers erhielten, hatten einen doppelt so hohen Engagement Wert wie Mitarbeiter, die keine Anerkennung erhalten hatten. Je persönlicher die Anerkennung dabei gestaltet ist, umso höher die positive Auswirkung auf die Motivation. Das ist kein Hexenwerk, sondern entspricht dem ganz grundsätzlichen menschlichen Bedürfnis, wahrgenommen zu werden. Es sind eben die kleinen Momente der echten Anerkennung und Wertschätzung, die wirklich zählen und die Kultur prägen.

Und jetzt?

Schaffen Sie, wo möglich, zeitliche und räumliche Flexibilität für Ihre Mitarbeiter. Vermitteln Sie ihnen den Sinn, das „Warum“ ihrer Tätigkeit und ihren Beitrag zum großen Ganzen. Stellen Sie sicher, dass die Hygienefaktoren stimmen – das Grundgehalt und eine angemessene Beteiligung am Erfolg des Unternehmens. Und schliesslich: Werden Sie persönlicher und schaffen Sie die kleinen Momente echter Wertschätzung und Anerkennung für das Geleistete.

 

Über die Autorin

Yvonne Prang verantwortet die Strategieentwicklung und -umsetzung für Compensation, Benefits und Recognition in den 12 größten McDonald’s Ländern außerhalb der USA. Seit 2008 im Unternehmen übernahm sie verschiedene Rollen, zunächst die deutsche C&B-Leitung, später zusätzlich die des Bereichs People Systems, die Europäische Reward & Mobility-Funktion und den Reward Lead für das International Lead & Foundational Europe Segment.

Im Rahmen des 7. Deutschen Vergütungstages am 07. November 2018 in Berlin gibt Frau Prang weitere Impulse zu Aspekten von New Work und ihren Einflüssen auf die Vergütung.

Der Beitrag Small moments matter – Zeit und Anerkennung als neue Währung erschien zuerst auf Future of HR.


#NewWork ist individuell: 5 Perspektiven auf neues Arbeiten

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Was bedeutet “New Work” eigentlich ganz konkret im Arbeitsalltag? Begründet von dem amerikanischen Philosophen Frithjof Bergmann in den 1980er-Jahren, der mit dem Begriff die „Arbeit, die wir wirklich wirklich wollen“ meinte, ist von “New Work” heute in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen die Rede. Und nicht immer wird deutlich, welche Maßnahmen sich wirklich dahinter verbergen. Oft bleibt es reines Buzzword.

Die Netzinitiative #HowToNewWork will weg vom Buzzword-Bingo und konkrete Impulse und Beispiele aus der Praxis aufzeigen: Mit welchen Maßnahmen schaffen Unternehmen den Schritt in die sich wandelnde Arbeitswelt?

Wir vom Online-Magazin DEAR WORK machen mit und möchten dabei den Einzelnen in den Mittelpunkt rücken. Wir betrachten “New Work” als modernes, an individuelle Lebenswirklichkeiten und Bedürfnisse angepasstes Arbeiten und somit bedeutet der Begriff auch für jeden Menschen etwas anderes.

Wir haben fünf ProtagonistInnen nach ihrer persönlichen Definition von „New Work“ befragt und danach, was ihre Arbeitgeber diesbezüglich richtig machen. Alle fünf sind angestellt, alle fünf sind in Berufen, in denen digital gearbeitet wird, aber alle fünf arbeiten in ganz unterschiedlichen Organisationen – vom Start-Up über den klassischen Verlag bis zum international agierenden Konzern.

Lasst uns unbedingt auch wissen, was “New Work” für Euch bedeutet und wie Euer Arbeitsalltag konkret aussieht: #HowToNewWork

Jetzt erst einmal viel Freude und Inspiration beim Lesen!

„Modernes Arbeiten bedeutet für mich, dass ich mich als ganze Person einbringen darf.“, Samson Rediet (25), Studio und Social Media Manager, Colors Studios, Berlin

Nach einem Bachelor in International Business und erster Berufserfahrung, entscheidet Samson sich gegen den Großkonzern und für das aufstrebende Start-Up. Bei der Musikplattform Colors Studios fühlt sich Sam als Teil von etwas Besonderem. Hier hat er das Gefühl, etwas bewirken zu können.

Samson steht in kurzer Hose und T-Shirt vor einer Wand und grinst in die Kamera.
Für Samson bedeutet modernes Arbeiten, sich als ganze Person einbringen zu können.

Samson, was bedeutet für Dich persönlich „New Work“?
Ich möchte Einfluss auf das haben, was ich tue, den Sinn dahinter erkennen und nicht nur abarbeiten. Für mich bedeutet modernes Arbeiten, dass ich mein Arbeitsleben und meine Aufgaben mitgestalten kann und mich als ganze Person einbringen darf.

Was macht Dein Arbeitgeber richtig? Welche New-Work-Maßnahmen oder Tools nutzt Du konkret?
Wir arbeiten bei Colors sehr eng und bereichsübergreifend zusammen. Hierbei helfen uns feste Meeting- und Kommunikations-Strukturen. In unserem Montags-Meeting teilen wir beispielsweise alle miteinander, woran wir gerade arbeiten. So weiß jeder, wo wir hinsteuern, kennt die Herausforderungen der anderen, kann Ideen einbringen und gemeinsam Lösungen finden. Das macht Spaß, stärkt unser Gemeinschaftsgefühl und die Verantwortung für die gemeinsame Sache. Darüber hinaus nutzen wir unterschiedliche digitale Tools, z.B. das Team-Kommunikations-Tool Slack. Und auch sonst sind wir so aufgestellt, dass wir alle von überall aus arbeiten können.

Und allgemein gefragt: Wie können Arbeitgeber modernes Arbeiten ermöglichen?
Man sollte sich in dem Unternehmen für die Ideen jedes Einzelnen interessieren und offen sein für die Talente, die über die Jobbeschreibung hinausgehen. Ich schätze außerdem Arbeitgeber, die es schaffen, ein, nennen wir es, organisches Wohlfühlen zu erzeugen. Wenn die Aufgaben Spaß machen und man sich als Teil vom Ganzen fühlt, dann braucht es keinen Kicker, bunte Möbel oder andere erzwungene Wohlfühlmaßnahmen.

 

“Die Vereinbarkeit von Job und Familie gelingt auch als Führungskraft”, Regina Baierl (37), Art Directorin, Handelsblatt, Düsseldorf 

Die renommierte Art Directorin Regina Baierl ist Mutter einer dreijährigen Tochter und Chefin eines 30-köpfigen Teams. Ihr Credo: Um Familie und Beruf gerecht zu werden, muss man Abstriche bei der Arbeitszeit machen. Das heißt aber nicht, dass man nicht genauso viel bewirken kann – wenn der Arbeitgeber einen lässt.

Regina steht in einem langen pinken Rock vor einem Einfahrtstor und strahlt.
Für Regina ist die Vereinbarkeit von Job und Familie auch als Führungskraft möglich.

Regina, was bedeutet für Dich persönlich “New Work”?
Ich bin Mutter einer dreijährigen Tochter, somit ist für mich die Vereinbarkeit von Job und Familie sehr relevant. Moderne Arbeit bedeutet in meinem Fall, dass diese Vereinbarkeit gelingt. Und das hängt zum Großteil vom Arbeitgeber ab.

Was macht Dein Arbeitgeber richtig? Welche New Work-Maßnahmen oder Tools nutzt Du konkret?
Hier im Verlag gibt es eine tolle HR-Abteilung mit Leuten, die sich wirklich kümmern und jede Menge Angebote. Für mich persönlich waren drei Angebote ausschlaggebend: Zum einen kooperiert der Verlag mit einem exzellenten Kita-Träger und übernimmt den Kosten-Mehranteil. Zum anderen kann ich als Führungskraft um 16 Uhr gehen, um meine Tochter abzuholen. Und ich habe eine so genannte Vertrauensarbeitszeit. Das heißt, ich arbeite 80 Prozent, bin aber bei der Zeiteinteilung recht flexibel. Ich muss also nicht immer physisch verfügbar sein, aber ich muss immer erreichbar sein. Meine Leistung ist an Ziele gekoppelt, wann und wie ich die erreiche, ist meine Sache. Das ist für mich modern. Darüber hinaus läuft der ganze Redaktionsbetrieb auf Laptops, die Mitarbeiter können von überall arbeiten und haben Zugriff auf das System. Es gibt höhenverstellbare Tische, man kann E-Bikes leasen, es gibt einen Massage-Sessel-Raum für die “bewegte Pause”.

Und allgemein gefragt: Wie können Arbeitgeber modernes Arbeiten ermöglichen?
Auch hier komme ich aufs Thema Familie zu sprechen: Überall heißt es zwar, Elternzeit sei etwas so Wichtiges. In der Realität aber ist es vor allem für Führungskräfte oft nicht möglich, dann heißt es “das sei nicht gern gesehen”. Eine vernünftige Elternzeit nehmen zu können, sollte etabliert sein.

 

„Ich arbeite vier Tage die Woche, wann ich frei mache, ist mir überlassen.“, Stefan Ulrich (40), Digital Design Lead, Highsnobiety, Berlin



Stefan Ulrich ist für die digitale Produktentwicklung bei dem Lifestyle-Magazin Highsnobiety verantwortlich, das innerhalb von zehn Jahren vom 1-Mann-Blog zum 150-Mitarbeiter-Unternehmen heranwuchs. Für Stefan zählen Flexibilität und Vertrauen – so muss sich das Leben nicht nach der Arbeit richten, sondern beides synchronisiert sich.

Stefan steht in kurzer Hiose und T-Shirt vor einer Wand und lacht.
Für Stefan zählen Flexibilität und Vertrauen – so synchronisieren sich das private und berufliche Leben.

Stefan, was bedeutet für Dich persönlich “New Work”?
Für mich heißt das vor allem flexibel zu sein, was Arbeitszeiten und -orte anbelangt, aber auch, dass man in mehreren Teams departmentübergreifend zusammenarbeiten kann. Das führt zu mehr Selbstbestimmung, mehr Freiheiten und mehr Agilität im Unternehmen.

Was macht Dein Arbeitgeber richtig? Welche New Work-Maßnahmen oder Tools nutzt Du konkret?
Ich arbeite vier Tage die Woche, wann ich frei mache, ist mir überlassen. Den fünften Tag nutze ich für persönliche Dinge. Als junger Vater ist das für mich und meine Familie essentiell. Gleichzeitig muss ich mich in meiner Position ständig fortbilden, was neue Software und Designsysteme anbelangt, auch das geschieht an diesem fünften Tag. Auch haben wir Gleitzeiten. Dass mein Tag nicht um Punkt neun Uhr beginnt und um Punkt 18 Uhr endet, ist für mich sehr wichtig. Wir arbeiten bei Highsnobiety mit 150 Leuten an fünf verschiedenen Standorten. Das geht nur über cloudbasierte Software. Alle können direkt kommunizieren und Entscheidungen können schnell getroffen werden. Im Grunde findet die ganze Firma im Google-Drive statt – eine sehr zeitgeistige Form von Storage- und File-Management. Slack ist für die Kommunikation essentiell. Aber auch das Projektmanagement-Tool Jira nutzen wir ständig. Das was die Firma also heute ausmacht – ihre Agilität, ihre Schnelligkeit und Internationalität – wäre so vor zehn Jahren noch überhaupt nicht möglich gewesen.

Und allgemein gefragt: Wie können Arbeitgeber modernes Arbeiten ermöglichen?
Indem sie auf ständige Kontrolle verzichten und ihren Mitarbeitern vertrauen. Nur so können diese selbstständig arbeiten und besagte Tools nutzen. Dafür ist es aber auch wichtig, auf klassische Hierarchien zu verzichten und sich auf Augenhöhe zu begegnen.

 

“Moderne Arbeit bedeutet für mich, meine Potentiale entfalten zu können”, Felicitas Olschewski (32), Creative Director, 72andSunny, Amsterdam

Felicitas besitzt die Schlüsseleigenschaft eines jeden erfolgreichen Kreativen: Neugierde. Und davon reichlich! Ihr Job als Creative Director bei der renommierten Agentur 72andSunny war eigentlich anspruchsvoll genug. Aber dann entschloss sich Felicitas, noch einen Master in Innovation Management im Ausland zu absolvieren.

Felicitas steht mit einem langen weißen Kleid mit roten Blumen auf einem Gehsteig und grinst in die Kamera.
Niemals stillstehen. Das bedeutet für Felicitas moderne Arbeit.

Felicitas, was bedeutet für Dich persönlich “New Work”?
Moderne Arbeit bedeutet für mich vor allem sich weiterzuentwickeln und nicht stillzustehen. Viel zu oft schreibt uns unser Jobtitel vor, was wir genau machen können-sollen-wollen. Meine Interessen und Talente gehen aber darüber hinaus – deshalb ist es wichtig, dass ich Möglichkeiten habe, mich in neue Richtungen zu entwickeln, ohne dass ich ein Sabbatical einlegen muss oder freelance mache.

Was macht Dein Arbeitgeber richtig? Welche New Work-Maßnahmen oder Tools nutzt Du konkret?
Mein Arbeitgeber lässt zu, dass ich meine Potentiale entfalte. Meine Neugierde und mein Wissensdrang haben mich dazu bewegt, die letzten zwei Jahre zusätzlich zu meinem Job als Creative Director in Amsterdam einen Master in Innovation Management in London zu absolvieren. Im Rahmen des MA habe ich auch für einige Zeit in einem anderen Unternehmen gearbeitet, was mir jetzt in meinem derzeitigen Job neue Möglichkeiten eröffnet. Arbeit und Studium in zwei Ländern bedeutete viel Arbeit im Flieger oder Eurostar. Kollaboration und Teamarbeit sind da key, da ich selbst nicht an allen Meetings teilnehmen kann – und muss! Diese Prinzipien einer neuen Arbeitskultur helfen mir dabei, meinem Team mehr Freiraum und Verantwortung einzuräumen ohne dass ich in der Vorlesung alle zehn Minuten meine E-Mails checken muss.

Und allgemein gefragt: Wie können Arbeitgeber modernes Arbeiten ermöglichen?
Freiheit einräumen. Experimente wagen. Vertrauen schaffen. Und Micromanagement abschaffen!

 

„Mitgestaltung und Partizipation gehören für mich dazu“, Renke-Marie Lux (36), Senior Product Manager Brand Partnership Central Europe, Warner Music Group Germany, Hamburg

Renke besitzt die Gabe, sich in das, was sie tut, voll rein zu hängen. Das zieht sich durch ihre fast zwei Jahrzehnte lange Marketing-Berufskarriere. Seit mehreren Jahren ist sie bei Warner Music, mittlerweile als Senior Product Manager Brand Partnership Central Europe. Und auch da übernimmt sie wieder zusätzliche Aufgaben.

Renke steht vor einer braunen Backsteinmauer und lacht.
Zu modernem Arbeiten gehört für Renke Mitgestaltung und Partizipation.

Renke, was bedeutet für Dich persönlich „New Work“?
Mitgestaltung und Partizipation gehören für mich dazu. Und ich schätze Selbstbestimmtheit und flexible Arbeitszeiten. Aufgrund mobiler Lösungen ist es ja heute kein Problem, auch mal von zu Hause oder einem anderen Ort zu arbeiten. Wenn’s um’s Soziale geht, bin ich jedoch immer noch Fan der Kaffeeküche und für den direkten Austausch. Das stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Was macht Dein Arbeitgeber richtig? Welche New Work-Maßnahmen oder Tools nutzt Du ganz konkret?
Bei uns gibt es immer mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung. Zum Beispiel bringe ich mich gerade zusammen mit anderen Mitarbeitern bei der Modernisierung unserer Büroräume ein – wir wollen ein Ergebnis schaffen, das für alle Seiten funktioniert. Den Interior-Part darf ich in Zusammenarbeit mit Innenarchitekten mit betreuen. Das reizt mich total und ist eine spannende Aufgabe abseits des Joballtags. Außerdem stimmt bei uns die technische Ausstattung. Handy und Laptop sind natürlich unabdingbar. Der Großteil aller Systeme und Programme, die wir im Unternehmen nutzen, sind mobil oder via App abrufbar. Wir haben zudem eigene Cloud-Systeme und mobile Office Varianten. So bin ich flexibel, und kann auch von unterwegs arbeiten.

Und allgemein gefragt: Wie können Arbeitgeber modernes Arbeiten ermöglichen?
Mit den technischen Voraussetzungen ist der Grundstein gelegt. Eine starke Vertrauensbasis ist aber unabdingbar für gewisse Freiräume im Job. Außerdem gehören für mich Mitbestimmung, ein offener Austausch und das Bewusstsein für die Bedürfnisse aller Generationen eines Unternehmens ganz klar dazu.

 

Über die Autoren

ANNA VOLQUARDSEN beschäftigt sich seit 15 Jahren mit den Themen Unternehmenskultur, Personal- und Organisations- entwicklung, Arbeitgebervermarktung sowie weiteren Themen rund um den Wandel unserer Arbeitswelt. Sowohl in ihrem Studium, in ihrer Funktion als HR-Leitung eines mittelständischen IT-Unternehmens als auch in ihren aktuellen Tätigkeiten als Gründerin des Online Magazins DEAR WORK und als freiberufliche Beraterin. Sie interessiert sich vor allem dafür, warum Menschen ihre Arbeit mögen und welche Wege sie wählen, um sie zu gestalten.

FRANZISKA KLÜN arbeitet seit zehn Jahren als Redakteurin, Medienentwicklerin und Kommunikationsberaterin für unterschiedliche Verlage und Unternehmen mit den thematischen Schwerpunkten Wirtschaft und Design. Sie war bei den Lufthansa Magazinen für die redaktionelle Leitung der Lufthansa Woman’s World verantwortlich und als Style Director tätig. Zuletzt hat sie mit ihrem Online-Magazin YSSO die Manufakturenszene im deutschsprachigen Raum beleuchtet und mit der gleichnamigen Agentur Unternehmen geholfen, ihre Geschichten zu erzählen.

LENA MARDON begleitet seit zehn Jahren große Marken bei Kampagnen im digitalen Raum und berät sie im Umgang mit sozialen Medien. Als Gründerin eines erfolgreichen Start-ups hatte sie es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen auf Zeit in fremde Berufsleben reisen zu lassen. Neben zahlreichen internationalen Kreativ-Awards wurde sie 2017 mit dem New Work Award von XING ausgezeichnet.

 

Über DEAR WORK

DEAR WORK ist ein digitales Magazin für aktuelle Geschichten, Interviews und Portraits rund um das Thema Arbeit. Ein Ort, um Menschen und Firmen in den Vordergrund zu stellen, die ihr Arbeitsleben und ihre Arbeitskultur aktiv gestalten und zeigen, wie modernes Arbeiten gelingen kann. Herzstück des Magazins sind die Work Stories. Diese persönlichen Geschichten geben Einblick in die Arbeitswirklichkeiten unserer Zeit. Denn wie diese aussieht, ist für jeden von uns unterschiedlich. Online seit Okt. 2015.

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New Work weniger verkopft angehen!

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Im Zuge einer Nachfolge durfte ich das IT/TK-Unternehmen TELROTH als Geschäftsführer von einem stark hierarchisch geprägten Ansatz zu einem Arbeiten auf Augenhöhe führen. Um es vorweg zu nehmen: Wir haben vor einigen Jahren begonnen und es wird wohl nie enden, denn die Arbeit daran wirft immer wieder neue Fragen auf.

New Work als dauerhafte Auseinandersetzung

Es ist eine über die Fachkompetenz hinausgehende Auseinandersetzung für und zwischen jedem. Eine New Work-Schablone, die auf jedes Unternehmen passt, gibt es leider nicht. Aber was bei vielen Unternehmen gleich ist: das Menschliche. Umso besser die Zusammenarbeit funktioniert, umso besser ist die Wertschöpfung. Genau daran habe ich angesetzt. Ich habe mich mit den Menschen hinter den Mitarbeitern beschäftigt und folgende Fragen gestellt:

  • Wie wird Verantwortung von jedem einzelnen verstanden?
  • Wie stark identifiziert sich jeder mit seinen Aufgaben und dem Unternehmen?
  • Wie hoch ist die Verbundenheit zwischen dem Mitarbeiter, den Teams und den Führungskräften?
  • Wie sollen in Zukunft Entscheidungen getroffen werden?
  • Wie gehen wir mit Konflikten um?
  • Warum arbeiten wir hier und nicht woanders, was lässt uns 2 Stufen auf einmal die Treppe zum Büro hochgehen?
  • Wie gehen wir mit Fehlern um?
  • Wie feiern wir Erfolge?

Führungskräfte: mehr regieren, weniger delegieren!

Was durch diese Arbeit ganz nebenbei sichtbar wurde, ist die Unternehmenskultur. Viel wird über sie geschrieben und teilweise wird sie zu einem Mythos hochstilisiert. Wenn ich genau hinsehe und hinhöre, die Zwischentöne aufnehme, wird das Bild der Kultur immer klarer. Und dann bieten sich auch Handlungsalternativen. Ist die Kultur erst sichtbar, kann ich an ihr arbeiten.

Dabei ist das Thema bei uns nicht zum Selbstzweck geworden. Oft schwingt ja mit, dass die Mitarbeiter gerne die Vorteile der neuen Arbeitsweisen mitnehmen, bei weniger attraktiven Themen sich jedoch eher zurückziehen. Aus dieser Beobachtung heraus entstanden neue Jobprofile für die Führungskräfte. New Work funktioniert, wenn die Führungskräfte statt zu kontrollieren und zu delegieren, mehr wittern und reagieren. Die Führungskraft setzt somit die Rahmenbedingungen und fordert die oben genannte und gemeinsam erarbeitete Art der Zusammenarbeit ein.

Unternehmenskultur und Werte nicht so verkopft bearbeiten

Ich habe mich intensiv mit Werten in Unternehmen beschäftigt. Ähnlich wie die Unternehmenskultur wird die Arbeit mit Werten für mich zu analytisch und verkopft bearbeitet. Dabei sind sie gar nicht so abstrakt, denn bei der Arbeit mit den Menschen werden die Werte automatisch herausgespült – vorausgesetzt die Atmosphäre ist von Vertrauen geprägt. Aus den Wünschen und Zielen der Mitarbeiter und des Managements, wie in Zukunft zusammengearbeitet werden soll, lassen sich viele Werte ableiten.

Viele Themen habe ich einfach umgesetzt, ohne zu wissen, dass es mal unter das Etikett New Work fallen würde. So haben wir die meisten Jour Fixes durch Ad Hoc Meetings ersetzt. Verantwortungen wurden neu verteilt, bis hin zu Azubis, die nach einer Einarbeitung verantwortlich mitarbeiten. Wir haben die klassischen KPI-Meetings, die immer auf der Vergangenheit aufsetzen durch Quick-Checks ersetzt, bei dem die Zahlen tagesaktuell besprochen werden. Wir haben viele Dialog-Meetings stattfinden lassen, bei dem die Meinungen der Mitarbeiter zum Unternehmen und ihrer Arbeit eingeholt wurden. Unser Koch, der dreimal die Woche kommt, sorgt für eine interdisziplinäre Pausengestaltung. Es treffen sich Mitarbeiter, tauschen sich aus und lernen einander besser kennen.

Was uns der eigene New Work-Weg gebracht hat…

Das Ergebnis der eingeläuteten Maßnahmen ist eindeutig: Die Mitarbeiter arbeiten eigenverantwortlicher. Sie holen sich Unterstützung bei der Vergabe von Prioritäten. Sie können eskalieren und deeskalieren. Die Mitarbeiter sehen Sinn in ihrer Tätigkeit und sehen ihren Anteil am Erfolg des Unternehmens. So wird die Diskussion über die freie Zeiteinteilung – häufig im Zusammenhang mit New Work genannt – von den Mitarbeitern selbst geführt, vorausgesetzt es herrscht Einigkeit über die Auslegung der Selbstverantwortung eines jeden einzelnen.

Fazit: In der Nachbetrachtung ist es einfacher als es oft beschrieben wird. Die Aufgabe ist und bleibt komplex. Wenn ich mich ehrlich für den Menschen hinter dem Mitarbeiter interessiere, können eben auch Themen kommen, die mir nicht unbedingt in den Kram passen. Da muss ich aber durch. Genauso ist es mit den Meinungen der Mitarbeiter. Ich habe die Mitarbeiter immer mit einbezogen, das schafft eine Verbundenheit und Identifikation in bisher unbekanntem Maß.

Die Gesundheitstage sind gestiegen, die Zufriedenheit der Mitarbeiter hat zugenommen – und das merkt man am Klima. Auch die Attraktivität des Unternehmens für Bewerber hat einen „Boost“ erfahren – wir bekommen besser qualifizierte, passendere Kandidaten als früher. Und für die Zweifler: in 2017 hatte das Unternehmen das beste Jahresergebnis in der 50-jährigen Geschichte.

 

Über den Autor

Carsten Roth ist Geschäftsführer von TELROTH, einem Spezialisten für Telefonanlagen, Brandmeldeanlagen und IT Systeme mit 77 Mitarbeitern am Standort Hilden und rund 2000 Kunden. Als Berater und Coach – mittelstandsversteher.de – widmet sich Roth unter anderem Themen wie Teamentwicklung, Führungskräfte-Coaching und Nachfolge. Auch in seinem eigenen Podcast greift Roth seine Beratungsfelder sowie die Herausforderungen als CEO auf.

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Agile Unternehmensführung: ohne Struktur keine Inspiration!

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Die allergrößte Herausforderung agiler Unternehmensführung ist, den Mut aufzubringen, der eigenen Inspiration zu folgen. Erst dann kommt die Wahl entsprechender Formate, Methoden und die Implementierung entsprechender IT-Tools. Mehr Selbstorganisation, Flexibilität und Kreativität bedeutet somit nicht Strukturlosigkeit, im Gegenteil: Agilität braucht Struktur und Routinen. Hierfür ein paar New Work-Beispiele aus der Integrata AG.

Unternehmen, die sich mit der digitalen Transformation auseinandersetzen, wissen genau, dass für neues Arbeiten eine ganzheitliche Einführung neuer Prozesse und Medien notwendig ist. Zudem erkennen sie ganz klar die Wettbewerbsvorteile dahinter. Nur durch eine konsequente Vernetzung von Wissen und Informationen im Unternehmen können Vertriebsmodelle, Absatzmärkte und Kommunikation effizient in einem digitalen Umfeld gestaltet werden. Hierzu benötigen wir allerdings auch Impulse von außen. Ein disruptives Netzwerk, dass uns dabei behilflich ist, uns neu zu konditionieren. Nur, wie damit beginnen?

Management nach bewährter Methodik

Die meisten von uns wissen, wenn es Zeit ist, etwas anders zu machen. Allerdings meistern wir einem alten Muster folgend die Herausforderungen unseres Zielmarktes noch nach bewährten Methoden: Wir sondieren das Umfeld der Wettbewerber, versuchen Impulse frühzeitig zu erkennen und innovative Entwicklungen zum richtigen Zeitpunkt zu platzieren. Die strategische Unternehmensausrichtung ist meist auf drei Jahre ausgelegt und allen Führungskräften bekannt. Ebendiese Haltung ist jedoch „old fashioned“ und keinesfalls agil!

Angesichts potenziell disruptiver Marktdynamiken, muss ein Unternehmen heute schnell und wendig sein. Es bedarf jeden Tag eine neue Lagesondierung sowie darauf fußende Entscheidungen. Das bedeutet einen hohen Abstimmungsbedarf. Und das ist ein Graus für alle, die – wie ich – die Ineffizienz scheinbar endloser Meetings ohne Resultate fürchten. Doch hierfür gibt es eine Lösung: Agile, allerdings straff durchstrukturierte Abstimmungsformate. Hier einige Beispiele, die ich bei der Integrata AG eingeführt habe.

Der „Daily Huddle“

Der Daily Huddle ist ein täglicher Conference Call aller Führungskräfte. Mit der Einführung der täglichen „Daily Huddle – Conference Calls“ waren innerhalb einer Woche alle Führungskräfte auf dem aktuellen Stand der erfolgskritischen Unternehmensaktivitäten. Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt, z.B. 8.52 bis 9.00 Uhr, prägt das individuelle Zeitgefühl und sorgt für eine hohe Beteiligungsrate. Kein Protokoll, keine Aufzeichnung, lediglich volle Konzentration und Accountability jeder teilnehmenden Person. Wer verhindert ist, nimmt nicht teil, Entschuldigungen unterbleiben. Jeder und Jede genießt das Vertrauen der anderen.

Der Daily Huddle hat drei kurze Runden, jede zu einer konkreten Fragestellung, die Reihenfolge der Sprecherrunde wird alphabethisch bestimmt. Die erste Frage lautet: Was ist Deine Priorität heute? Die zweite Frage dreht sich um aktuelle Zahlen, Daten und Fakten zum Unternehmen, wie zum Beispiel den Auftragseingang. Eine Person erklärt sich für eine Periode bereit, diese Informationen jeden Tag zur Verfügung zu stellen. Zuletzt wird gefragt, ob man heute Unterstützung aus dem Teilnehmerkreis benötigt. Wenn ja, werden alle weiteren Aktivitäten im Nachgang bilateral bearbeitet bzw. geklärt.

Der „Operational Call“

Die Weekly-Operational-Calls, beispielsweise mit dem Vertriebsteam, führten zu einem ähnlichen Ergebnis. Innerhalb kürzester Zeit war das Team über die Aktivitäten bei diversen Kunden informiert und konnte von den Erfahrungen der Kollegen partizipieren. Dieser Call findet einmal in der Woche statt und ist auf eine Stunde ausgelegt. Auch hier gibt es eine verbindliche Struktur.

Zunächst wird der Fokus auf „Good News“ gerichtet und zum Beispiel das erfolgreichste Erlebnis der Woche geteilt. Anschließend geht es auch hier um Zahlen, Daten und Fakten, zum Beispiel zum Vertriebsmonitor, Quartals-KPIs oder sonstigen Prioritäten. Als nächstes geht es um Learnings: Was haben wir bei oder mit Kunden, von oder mit Mitarbeitern und Kollegen gelernt? Zudem werden gemeinsame Themen abgefragt oder Herausforderungen geteilt, die durch kollektive Inteelligenz gelöst oder zumindest in der Lösungsfindung bereichert werden können. Zuletzt geht es darum, die konkreten Handlungsfelder festzuhalten: Wer macht was wann? Auch in dieser Runde ist das gegenseitige Vertrauen Voraussetzung. Es braucht keine persönliche Abmeldung oder gar Entschuldigung. Wer fehlt, hat jedoch eine Holschuld bezüglich der Inhalte.

Der „Strategic Call“

Die Einführung des „Strategic-Calls“ an dem alle strategischen Positionen beteiligt sind, führte dazu, dass Entscheidungen auf Basis aktueller Geschäftsentwicklungen und -ergebnisse turnusmäßig korrigiert, klarer kommuniziert und adressiert werden können. Auch dieser Call hat eine verbindliche Struktur. Sie gleicht der „Weekly-Operational-Call-Agenda“, legt den Schwerpunkt allerdings ausschließlich auf strategische Themen.

Die Disziplin, Accountability und das gegenseitige Vertrauen, was in den Formaten des Führungskreises gelebt wird, hat auch seine Entsprechung auf Mitarbeiterseite gefunden, wo heute regelmäßige „Stand-up-Meetings“ stattfinden. Für die Dauer einer Tasse Kaffee oder stehend in einem Büro berichten Mitarbeiter einmal in der Woche darüber, woran sie gerade arbeiten – reihum, selbstverantwortlich und selbstorganisiert. Das lässt die Informationen im Unternehmen fließen und motiviert unter anderem durch die Freiheit in der Ausgestaltung der Formate.

Agile Unternehmensführung macht Unternehmensführung nicht einfacher

Allein die genannten Beispiele machen die Unternehmensführung keinesfalls einfacher oder weniger komplex. Das Gegenteil ist der Fall. Die Halbwertzeit von einmal getroffenen Entscheidungen sinkt zugunsten einer dynamischen Entscheidungskultur, die Indikatoren und Ereignisse fokussiert. Entscheidungen, die ein komplettes Geschäftsjahr überleben müssen, sind nicht mehr opportun.

Agile Unternehmensführung bedeutet für mich deshalb, die Entscheidungszyklen so zu gestalten, dass Entscheidungen auf der Grundlage konkreter Ereignisse, Ergebnisse und Indikatoren in der Gegenwart erfolgen können – wenn es sein muss jeden Tag auf’s Neue. Damit verbinde ich mit Agilität in der Unternehmensführung eben auch die Abkehr von „old fashioned“ Management Modellen.

Es braucht zunächst Mut und Struktur – dann digitale Technologien

Und hierfür bedarf es zuallererst Mut. Man muss den Mut aufbringen, den Klassikern und oft beschworenen Glaubensgrundsätzen den Rücken zu kehren und neuen Inspirationen zu folgen. Das geht zunächst völlig analog. Was jedoch nicht fehlen darf, ist Struktur. Leitplanken, die Impulse, Kreativität, Partizipation und Selbstbestimmung kanalisieren und im Sinne eines Gerüstes – nicht als zu enges Korsett – Sicherheit und Halt geben.

Dies ist das Fundament agiler Unternehmensführung. Wenn dieses steht, kann man die technologische Seite der Thematik angehen. Unternehmen, die Wettbewerbsvorteile aus agiler Unternehmensführung nutzen wollen, müssen Wissen und Informationen im Unternehmen eben nicht nur in direkten Gesprächsrunden sicherstellen, sondern hierfür auch konsequent digitale Lösungen einsetzen, die für Vernetzung sorgen und das Arbeitsumfeld effizient gestalten. Dies fördert und fordert letztlich auch neue Kompetenzen bei Führungskräften und Mitarbeitern. Doch ein Schritt nach dem anderen.

 

Über den Autor

Portraitbild von Ingmar J. Rath, Vorstandsvorsitzender der Integrata AG
Ingmar J. Rath, Vorstandsvorsitzender der Integrata AG

Ingmar J. Rath ist Dipl.-Kaufmann mit über 35 Jahren Führungserfahrung in den Bereichen Informationstechnologie, Telekommunikation und Qualifizierung. Seit Anfang 2009 ist er Gesellschafter und CEO der Integrata AG, einem Unternehmen der Cegos Group. Neben seinen langjährigen Erfahrungen in Qualifizierungsprojekten und operativer Geschäftsführung verfügt Ingmar J. Rath über eine umfassende Expertise in M&A-Prozessen sowie hohe Skills im internationalen Umfeld. Seine Schwerpunkte liegen in Strategie, Vertrieb, Marketing und Business Development. 2010 wurde der Vorstandsvorsitzende als Senator in den Senat der Wirtschaft berufen. Die Mitglieder des Senats tragen gemeinsam dazu bei, die ökosozialen Ziele im Dialog mit Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien umzusetzen.

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#HowToNewWork braucht Besserfrager statt Besserwisser!

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Es gibt Menschen, die wissen immer alles besser. Manchmal imponiert es, meist langweilt es. Beziehen sich doch die Besserwisser meist immer nur auf Erfahrungen – und damit Alt(bewährt)es. Wer Neues schaffen will, braucht keine Besserwisser, sondern Besserfrager: Menschen, die alles infrage stellen und bereit sind, zu steigern, zu reduzieren, rumzudrehen oder zu kombinieren…

Im Rahmen von #HowToNewWork wurde bereits über Arbeitszeit, Freizeit, Flexibilisierung, Gender Pay Gap, Wertschätzung, Sinn, Werte, Anerkennung, Wissenstransfer, Vernetzung, Haltung und Menschbilder diskutiert. Mein Menschenbild sagt mir: Jeder Mensch ist anders, einmalig, vielfältig und wertvoll. Menschen haben sehr unterschiedliche Talente wie zum Beispiel Hochsensibilität, Perfektionismus, ein absolutes Gehör, eine tiefe Radio-Stimme oder eine Rampensau-Präsenz. Wie stark Talente genutzt werden, liegt am Training und am Einsatz. Unterschiedlich ausgeprägte Erfahrungen führen selbst bei ähnlichen Talenten zu wachsender Unterschiedlichkeit der Menschen.

Hand aufs Herz: Wie schaut’s aus mit Diversity?!

Vielfalt wird häufig als wichtige Voraussetzung für Innovationen genannt. Doch wie offen sind wir wirklich für Unterschiede? Abweichende Meinungen? Sachlichen Streit? Krasse Widersprüche? Sind wir zufrieden, wenn alle mit unterschiedlichen Meinungen aus einer Debatte herausgehen? Oder feiern wir Harmonie? Wollen wir Konsens oder verschiedene Lerneffekte bei allen Beteiligten? Sprechen wir mit Menschen, die gegenhalten und andere Meinungen vertreten?

Die SZ titelt: „Nur in Diktaturen darf nicht gestritten werden“. Streiten zu dürfen, ist ein errungenes Privileg. Nutzen wir es? Was fördert und stärkt Vielfalt in Organisationen? Wie kommen Meinungen von Minderheiten zu Wort? Ist Widerspruch zu Abläufen und Organisationsmodellen gewünscht? Sind standardisierte und wiederholbare Modelle sinnvoll? Können 10 oder 100 Modelle alle 3,6 Millionen Unternehmen, 580.000 Vereinen und 8.500 Genossenschaften in Deutschland abbilden? Oder sind die 4,2 Millionen Organisationen durch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Branche, Region, Tradition und Spezialisierung zu unterschiedlich? Können wir Prozesse passgenau designen für individuelle Menschen, Märkte, Branchen, Regionen? Können wir die Unterschiedlichkeit von Organisationen abbilden? Sind wir überhaupt bereit, uns die Diversität aller Prozesse und Abläufe vorzustellen? Suchen wir nicht stattdessen permanent nachvollziehbare Organisationsmodelle und beschreibbare Standards? #HowToNewWork braucht Besserfrager statt Besserwisser.

44 Fragen für mehr Ideen

Stellt alles infrage. Stellt Euch beim Warten an roten Ampeln, im Supermarkt an der Kasse, im Stau oder im verspäteten Zug 44 Fragen. Statt sich zu ärgern wird die Zeit genutzt und das Fragen trainiert. ALLES geht anders. Warum hat sich die Mehrheit passender Bewerberinnen und Bewerber noch nicht bei euch beworben? Die Mehrheit potenziell passender Kandidaten kennt den Betrieb gar nicht. Garantiert. Die Frage führt weg vom Fachkräftemangel-Chor und dreht die Perspektive hin zur Aufmerksamkeit, DER Grundvoraussetzung für Bewerbungen. Weniger Bewerbungen zu bekommen, ist logisch, wenn einen keiner kennt. In Europa streiten 23 Millionen Unternehmen um Aufmerksamkeit. Wer fällt auf? Begeistert das Angebot? Zieht die Personalsuche magnetisch an? Stellt 44 Fragen zur Attraktivität und zum Leistungsversprechen an potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Fragen führen zu überraschenden Einsichten.

Vor welchem Tier rennen Elefanten weg? Vor Bienen! Erst die Frage brachte die überraschende Lösung. Nun werden rund um die Felder Bienenstöcke gebaut statt Zäune und Mauern. Jedes Wort ist eine feststehende Definition, die unser Blickfeld beschränkt. Zur Herausforderung „Schutz vor Elefanten“ sind große Zäune und hohe Mauern normal. Niemand denkt an Bienenstöcke, obwohl Bienen effektiver und effizienter schützen. Fangen wir an, Worte zu hinterfragen. Was infrage gestellt wird, bietet Raum für neue Lösungen, Überraschungen und unbekannte Cocktails.

Subversiv verknüpft

Neues ist unbekannt. Alles Bekannte ist nicht neu. Doch Unbekanntes ist keine Zauberei, sondern entsteht durch solides Handwerk. Allen, die regelmäßig 44 Fragen stellen, garantiere ich wachsende Ideenfitness. Leider wollen die meisten Unternehmen innovativ sein ohne den Status quo infrage zu stellen. Wer wirklich regelbrechendes Querdenken etablieren will, kann dies trainieren. Definiere die Bestandteile von bekannten Angeboten, Produkten und Prozessen. Ein Bestandteil wird gestrichen, eins umgedreht und eins gebrochen: Das Angebot ist NEU! Ein Teil wird verkleinert: NEU! Ein Teil wird ersetzt und eine Regel geändert: NEU! Dieses Prinzip kann jeder Mensch anwenden und professionalisieren. So wächst Ideenfitness.

 

Diese 18 Handwerkszeuge sind Garanten des Neuen:

  1. Steigern
  2. Umdrehen
  3. Brechen
  4. Verkleinern
  5. Ersetzen
  6. Reduzieren
  7. Streichen
  8. Infrage stellen
  9. Vertiefen
  10. Vergrößern
  11. Entdecken
  12. Regel ändern
  13. Kombinieren
  14. Nutzen erhöhen
  15. Übertragen
  16. Provozieren
  17. Fehler machen
  18. Träumen

 

Fachkräftemangel ist Ideen-Mix-Mangel

Niemand meldet sich nach der ersten Runde Joggen zum Marathon an. Aber alle meinen, im Meeting werden spontan und gänzlich untrainiert geile Ideen gebrainstormt. Wie soll das gehen? Welche Mannschaft geht ohne Training und ohne sich aufzuwärmen aufs Spielfeld und erwartet einen haushohen Sieg? Doch Ideen werden nebenbei aus dem Ärmel geschüttelt? Das ist Dilettantismus oder Hochmut. ‚Subversiv verknüpft‘ bringt immer unbekannte Ergebnisse. Steigern und streichen. Umdrehen und ersetzen. Was passiert, wenn ein Bäcker ein Millionenfach genutztes Element vergrößert und zusätzlich den Nutzen erhöht? Statt minikleinen Zetteln im Schaufenster „suche Bäcker“ – das machen eine Million Handwerker und 345.000 Einzelhändler – könnte eine Bäckerei das gesamte Schaufenster für ein Riesenplakat nutzen. VERGRÖSSERT. Darauf steht: „Wer uns eine Fachkraft empfiehlt, bekommt ein Jahr Brot und Brötchen umsonst.“ NUTZEN ERHÖHT. Sofort suchen ALLE Passanten und Kunden für die Bäckerei im Freundes- und Bekanntenkreis. Direkt, einfach und günstig. Der Friseur bietet ein Jahr Haarschnitt. Autowerkstätten bieten Reifenwechsel, Inspektion und Freifahrten in neuen Modellen. Warum schalten Bäcker und Friseure überhaupt Stellenanzeigen?

Keiner verschenkt langweilige Bücher. Aber standardisierte, austauschbare Stellenanzeigen sollen hochmotivierte Bewerber anziehen? Das ist schizophren. Erwartet ein Fußball Scout, dass Talente am Schreibtisch vorbei kommen? Der Fußball Scout geht dahin, wo der Nachwuchs Fußball spielt. Draußen. Wo geht ihr hin? Wo trefft ihr interessante Menschen, die euer Team perfekt ergänzen? 7 Milliarden Wege führen zu 7 Milliarden Menschen. Fachkräftemangel ist Ideen-Mix-Mangel. Eine Firma lädt Patentinhaber zum Sommerfest ein. Locker und fröhlich. Einige Patentinhaber wechseln zu dem Unternehmen. Nicht sofort. Aber nach dem zweiten oder dritten Sommerfest. Das ist kreativ. Passgenau. Zielsicher. Außergewöhnlich.

Die Firma YOC hat einen Porsche an einen Kran gehängt. NEU KOMBINIERT. Alle Medien berichten darüber. Zwei Mal. Als der Porsche hängt und als der Porsche abstürzt, denn das Spiel hieß „Cash or Crash“. PROVOZIERT. Die Caritas Düsseldorf wirbt mit: „Bei Anruf Ausbildung.“ Kein Lebenslauf, keine wochenlange Wartezeit. Der klassische Prozess gestrichen. STREICHEN. Ein Hotel in Emden hat den Mitarbeitern die Überstunden verboten. Die Fluktuation sank. Mehr Bewerbungen kamen. Überstunden weg – spricht sich herum. STREICHEN. 130 Bahnunternehmen werben für Schienenjobs. Scheinbare Konkurrenten sind zusammen sichtbar und steigern ihre Attraktivität. STEIGERN. Wer sagt, dass Azubis jung sein müssen? 15jährige werden in Europa weniger. Und 50jährige werden mehr. Bildet 50jährige aus. Und 20-, 22-, 25jährige Studienabbrecher. Hunderttausend Potenziale pro Jahr. Wo ist das Problem? REGELN BRECHEN.

Leckere Cocktails leben von ihren Zutaten und dem Mix, der neuen Kombination

Eine Idee ist nie komplett neu. Das Unbekannte entsteht aus der neuen Zusammensetzung. Dem bisher unbekannten Mix. Bereits gemixt wurden Salz + Streuer, Kerzen + Ständer, Tee + Beutel. Hingegen ist der Mix aus Mehl + Mehl langweilig. Doch in den meisten Unternehmen versuchen im Meeting immer dieselben Menschen auf neue Ideen zu kommen. Gleich + gleich = gleich. Es fehlt Vielfalt. Unbekanntes braucht Zutaten, die bisher niemand gemixt hat. Ideen sind zuerst immer absurd, scheinbar unpassend. Ohne Fremdes nichts Neues. Wo stopft ihr euch voll mit Fremdem und Absurdem? Was lest ihr? Was hört ihr? Was beobachtet ihr? Was regt euch auf? Was füllt die Vorratskammer? Vielfalt und Widerspruch im Team bringt scheinbar Unpassendes. Sind Zutaten gesammelt, wird gemixt, ersetzt, übertragen, umgedreht. Das ist der kreative Kern-Prozess, den viele Brainstorming nennen. Neu kombinieren, probieren, mixen, probieren, mixen.

Trainierte Ideen-Entwickler wenden das Handwerkszeug an und steigern, drehen, brechen, verkleinern, ersetzen, reduzieren, streichen, stellen infrage, vertiefen, vergrößern, entdecken, ändern Regeln, kombinieren, erhöhen Nutzen, übertragen, provozieren, machen Fehler und träumen, mixen, probieren, mixen, probieren. Sprecht mit voller Überzeugung den Schwur der Spinner: „Ich schwöre, dass ich grenzenlos spinne, dass ich alles für möglich halte, und sollte ich destruktive Kritik äußern, so soll mir eine rote Knollennase wachsen.“ Um Ideen nicht tot zu trampeln, hat Kritik beim kreativen Mixen Hausverbot. Erst spinnen, provozieren, umdrehen, steigern und neu mixen. Wenn zu früh Kritik geäußert wird, ist die Idee tot. Ist der Ideenberg groß genug, wird alles anhand derselben nachvollziehbaren Kriterien durchgesiebt und ausgewählt.

Don`t criticize, improve

Wer Schmetterlinge will, darf auf Raupen nicht treten. Wer Ideen hört, sieht und erlebt, haut bitte nicht drauf. Lernt Ideen kennen. Stellt konstruktive Fragen. Gebt Ideen eine Chance. Verwöhnt sie wie beim ersten Date. Reichert das Positive an. Denkt mit und verbessert die Idee. Nicht wie ein Besserwisser, sondern wie ein neugieriger Besser-Frager. A L L E S, was wir selbstverständlich nutzen, ging nicht – bis es gemacht wurde. A L L E S Alltägliche besteht aus Ex-Ideen. Wenn Menschen sagen „geht nicht“, lacht fröhlich und ruft laut „Halleluja“. Wenn etwas noch nicht geht, kann etwas Neues gemixt werden. Halleluja. Sagen Leute hingegen „das geht“, ist es nicht neu und nicht unbekannt. Jenseits der bekannten Grenzen ist das Neue zuhause. Ideen sind an Orten, wo noch niemand war. Kreativität bedeutet, weiter ins Unbekannte vorzudringen als alle Menschen zuvor. Nur wer an Grenzen stößt, kann diese überschreiten.

Doch nicht jede Idee ist ein Diamant. Die meisten Ideen sind Sprungbretter zur nächsten Idee. Oder Schrott. Auch Ideen-Profis produzieren viele Schrott-Ideen. Um ein Karat echten Diamant zu finden, braucht man 150.000 Tonnen Geröll. Zudem kommt keine Idee perfekt aus dem Kopf. Die Ideen, die sich durchsetzen und funktionieren, werden 100 Mal geschliffen und verändert. Immer wieder werden Elemente gestrichen, vergrößert, verkleinert und gebrochen. Ideen zu mixen ist ein Prozess. Bei Babys erkennt niemand direkt nach der Geburt die Talente. Erst mal füttern, wärmen und liebhaben. Auch Ideen brauchen Zeit und Energie zum Wachsen. Netflix feiert 2018 seinen 21. Geburtstag. Wie lange kennt ihr Netflix? Alles, was bekannt ist, war lange Zeit ein Baby und Kleinkind und hatte Zeit zum Wachsen, Reifen und Entfalten. Ideen brauchen Resonanz zur Weiterentwicklung. Dazu werden Prototypen gebaut und Pilotprojekte getestet.

Das Neue lässt sich in Worten sehr schlecht transportieren, denn unsere Worte sind alte, bereits bekannte Definitionen. Das Neue in alten Worten wird selten verstanden. Wenn der neue Nutzen der Idee nicht glasklar transportiert wird, heißt es „geht nicht“. Ideen können mit Bildern, Erlebnissen und Prototypen getestet und die Resonanz erlebt werden. Schmeckt die Idee den Menschen, für die sie gemixt wurde? Nicht raten, sondern fragen. Mit der Resonanz wird wilder gemixt und neu probiert, bis es schmeckt. Wer geht neue Wege? Wer unterscheidet sich? Wirklich? Menschen wünschen sich Instant-Kreativität per Klick oder Formel. Dabei ist es einfach harte Arbeit. Ein guter Cocktail-Mixer mixt hunderte Rezepte und bietet seinen Gästen den Besten Mix an. Don`t criticize, improve.

 

Fazit: Vielfalt feiern und Ideenfitness trainieren!

Schenken wir Unterschieden wirklich Wertschätzung? Sehen wir den Wert von Vielfalt, Widerspruch, 44 Fragen und Menschen, die ganz anders ticken als wir? Sind wir bereit, Ideenfitness zu trainieren? Wollen wir mixen, ersetzen, verkleinern, steigern und schleifen bis es schmeckt? Durchbrechen wir den gleich-und-gleich-gesellt-sich-gern-Fluch? Arbeit ist kein Selbstzweck. Arbeit basiert auf Herausforderungen, die wir anpacken und bestmöglich lösen. Neue Herausforderungen gibt es immer. Also gibt es immer Arbeit. Arbeit hört nie auf – unabhängig davon wie wir sie nennen und organisieren. Wenn wir mehr Fragen stellen, neu mixen, schleifen und ausprobieren, wächst die Zahl der Möglichkeiten rasant. Lasst uns Vielfalt feiern und Ideenfitness trainieren. Es gibt so viel zu verändern und besser zu machen in der Welt. Wir stehen vor sehr großen Herausforderungen. Das ist viel Arbeit. Lasst Maschinen machen, was sie besser können, damit Menschen ihre Potenziale zur Entfaltung bringen. Freuen wir uns auf kreatives #HowToNewWork in großer, bunter Vielfalt!

 

 

Über den Autor

Martin Gaedt ist Autor von Mythos Fachkräftemangel“ und „Rock Your Idea und seit 1999 Unternehmer. Sein 10. Startup Sharetrust steht kurz vor dem offiziellen Launch. Seine kollaborative Recruiting-Plattform cleverheads ermöglicht die direkte und datenschutzrechtlich korrekte Empfehlung von guten Kandidaten, die man selbst nicht einstellen kann. Mit Provotainment öffnet er in seinen Vorträgen Augen für Innovation und verschreckt Trägheit und Gewohnheit.

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New Work ist eine Geisteshaltung, keine Blaupause

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Zu „New Work“ hat wohl jeder Bilder im Kopf, durchaus auch unterschiedliche. Entsprechend kontrovers ist die Diskussion. Die einen meinen, ohne New Work seien Unternehmen nicht zukunftsfähig. Für andere ist New Work überbewertet – es muss doch nicht ständig etwas Neues her. Um ein paar Anregungen zu geben, möchte ich die Sache etwas aufdröseln.

New Work kennt zwei Pole: die Enthusiasten einerseits und die Skeptiker auf der anderen Seite. Zwischen diesen Richtungen entstehen Vorurteile, welche schnell ein Teil unserer Realität werden können. Nicht grundlos gibt es Bedenken und Zweifel, aber der Erfolg spricht ebenfalls für sich. Ich möchte daher versuchen, diese und ähnliche Sichtweisen in Bezug auf New Work zu ergründen.

Ursprungsmodell New Work

Werfen wir einmal einen kurzen Blick auf die Historie des Begriffes New Work. Frithjof Bergmann, Philosoph, gilt als Vater von New Work und hatte bereits in den 70er Jahren eine neue Art zu arbeiten begründet. Er ist davon ausgegangen, dass das Jobsystem, indem man lebt, dem Menschen nichts Gutes tut. Im Verständnis von Bergmann heißt Arbeiten nicht, den Profit und Erfolg des Unternehmens in den Vordergrund zu stellen, sondern auf die Bedürfnisse des Menschen einzugehen.  Es sollte nicht mehr darum gehen, dass der Mensch als Mittel zum Zweck genutzt wird, und die Menschen der Arbeit dienen. Es sollte nach Bergmann umgekehrt sein: die Arbeit sollte den Menschen dienen.

Mit dieser Haltung initiierte Bergmann in den 70er Jahren in der US-Stadt Flint einen Wandel innerhalb der Automobilindustrie. Dort gründete er sein Zentrum für Neue Arbeit, um Massenentlassungen mit seinem Konzept entgegenzuwirken. So sollten die MitarbeiterInnen bloß sechs Monate in der Fabrik arbeiten und die anderen sechs Monate darüber nachdenken, was sie wirklich tun wollen. Das Zentrum von Bergmann hätte die aufkeimenden Ideen in der Umsetzung unterstützt. ABER die MitarbeiterInnen waren davon nicht begeistert, haben vielmehr mit Skepsis, Zweifel und sogar Tränen reagiert.

Die Macht der Gewohnheit, lieber beim Alten zu bleiben und damit unter Umständen sogar Schiffbruch zu erleiden, als etwas Neues, Ungewohntes zu probieren, hat den Prozess, eine neue Arbeitsweise zu testen, behindert. Wie dem auch sei, eines ist Gewiss: Die Menschen, die damals bei der New Work Experience dabei waren, waren QuerdenkerInnen, VordenkerInnen und ExpertInnen was die neue Kultur des Arbeitens anging. Ihr ursprüngliches Konzept von New Work war deutlich grundlegender als das, was man in den aktuellen Diskussionen und den bisherigen Konzepten der Unternehmen lesen und sehen kann.

Anregungen: New Work als Geisteshaltung ernst nehmen!

Für viele Skeptiker ist vor allem die Unkonkretheit von New Work das Problem. Doch daran ist leider nicht viel zu ändern, denn New Work beruht auf einer entsprechenden Geisteshaltung, und die kann nicht einfach so über Nacht geändert werden. Konkret wird New Work nur durch die individuelle Auseinandersetzung und möglichen Implikationen. Hierfür im Folgenden einige Anregungen.

  1. New Work beschreibt eine dramatische Veränderung

Veränderungen in Unternehmen sind notwendig, um mit der rasant anwachsenden Komplexität, mit der Digitalisierung und dem Innovationsdruck, mit Globalisierung und den daraus resultierenden weiteren Folgen mithalten zu können. New Work ist eine Lösungsvariante, ein Ansatz, die Umwälzungen zu bewältigen. New Work ist fähig zu beschreiben, was Unternehmen heute und morgen lösen müssen. Klassische Arbeitsstrukturen und Arbeitsformen können das nicht und werden auch nicht den Anforderungen der digitalen Zeit gerecht.

  1. New Work kann man nicht einführen

Nachdem New Work keine Methode ist, kann man New Work auch nicht einfach so mit einer klaren Struktur in das Unternehmen implementieren. So gesehen kann es sogar sein, dass manche Unternehmen schon nach dem Prinzip von New Work handeln und das in keiner Weise so sehen. New Work ist eine Geisteshaltung mit der damit verbundenen Handlungsweise. Das erfordert etwas mehr als nur das Aufsetzen von einigen neuen Strukturen. Das erfordert eine tiefgreifende, eine über das Fachliche hinausgehende Auseinandersetzung mit sich selbst und dem Gegenüber. Es genügt deshalb nicht, den MitarbeiterInnen einfach nur mehr Eigenverantwortung zu geben und etwas mehr freie Zeiteinteilung, um New Work im Unternehmen wirksam werden zu lassen.

  1. New Work heißt für jeden etwas Anderes

New Work ist ein sehr individueller Prozess. Unternehmen und insbesondere die in den Unternehmen agierenden Menschen sind individuell und haben spezifische Herausforderungen zu meistern. So gesehen ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass New Work so unterschiedlich aufgefasst wird – abhängig von den Bedürfnissen der Unternehmen, der KundInnen und MitarbeiterInnen. Auch wenn einige von Blaupausen für einen New Work gerechten Unternehmensaufbau sprechen, gibt es das nicht wirklich. Wer das behauptet, der möchte vermutlich einfach nur das Konzept davon gut verkaufen – ohne das jetzt unter Kritik zu stellen.

  1. New Work ist kein MitarbeiterInnen-Bespaßungsprogramm

Es genügt nicht, räumliche Änderungen vorzunehmen und dann arbeitet man schon im Sinne von New Work. MitarbeiterInnen haben auch nicht mehr Freizeit – oft zeigt sich sogar das Gegenteil. Deshalb ist es so enorm wichtig, dass die Arbeit sinnerfüllend ist, ansonsten droht noch schneller als sonst Verweigerung, Widerstand, Überforderung. Selbstverständlich muss man das Zeitthema der Arbeit akzeptabel in den Griff bekommen, aber das ist in New Work ein sehr spezieller, individueller Weg und braucht viel Akzeptanz für jeden und jede Einzelne.

  1. New Work schafft eine Bühne

Wo ein Label ist, ist eine Bühne. Dort präsentiert sich etwas und andere betrachten es. Dort gibt es AkteurInnen und BeobachterInnen. Dort entsteht Meinungsbildung, die aber nicht unbedingt immer nur Wahrheiten darstellt. Und so ist man gefordert, zu reflektieren, immer wieder aufs Neue. Aber gerade dazu fehlt heute oft die Zeit, man will rasche Ergebnisse und rasche Lösungen. Das kann New Work jedoch von einer bestimmten Perspektive aus nicht liefern. New Work ist ein dauerhafter Lernprozess, der kein klares Ende zeigt, sondern mit jeder neuen Einsicht weitere Fragen und neue Herausforderungen aufwirft. Das kann eigentlich nur mit einem unterstützenden Instrument wie beispielsweise Mindfulness bewältigt werden – ein Punkt, der in der ganzen New Work Debatte jedoch kaum Erwähnung findet.

  1. Man sollte sich aktiv mit New Work auseinandersetzen

New Work ist nichts, was man einfach so machen kann. Negieren kann man New Work aber auch nicht. Deshalb kommt kein Unternehmen, keine Führungskraft, kein/e MitarbeiterIn umhin, sich trotz möglichem Zweifel mit New Work auseinanderzusetzen. Denn New Work hat eine Bühne. New Work wird auf unterschiedliche Weise dargestellt, hat ein Publikum, auf das es einwirkt. Das sollte man nicht unterschätzten. Das heißt aber auch nicht, dass man jede Veränderung und jede einzelne Regung von New Work gutheißen und mitmachen muss. An dem Punkt zeigen sich vielleicht wieder Bedenken, denn diese Art und Weise sich mit New Work auseinanderzusetzen verlangt Zeit. Ja, das stimmt, aber es nicht zu tun, wird irgendwann vielleicht noch viel mehr Zeit kosten.

Zukunft New Work

Eines ist in Bezug auf New Work gewiss: New Work kann nicht mehr umgangen werden. Man muss sich als Unternehmen mit New Work auseinandersetzen. Dabei kommt man nicht umhin, sich der Tatsache zu stellen, dass zwischen dem Anspruch bzw. Anforderung von New Work und der Wirklichkeit ein großes Delta liegt. Die Transformation von stark hierarchieorientierten Organisationsstrukturen hin zu Netzwerkorganisationen sind sowohl unter kulturellen als auch unter führungsbezogenen Aspekten ein enorm großer Schritt. Dieser Schritt erfordert neben der notwendigen Bedingung – dem „Können“ aller MitarbeiterInnen – insbesondere das „Wollen“ und die Unterstützung der Führungskräfte. Es genügt eben nicht, den Prozess nur auf einer fachlich/inhaltlichen Ebene aufzusetzen, sondern es braucht auch die Auseinandersetzung mit persönlichen Prägungen, Gewohnheiten, Emotionen.

Darüber hinaus steht New Work auch für Digitalisierung und technologischen Fortschritt. Das wirft Fragen und Herausforderungen in den Raum – beispielsweise, wie man die Weiterentwicklung in Bereichen wie Robotics, künstliche Intelligenz, Analytics, 3D-Druck im Sinne der Unternehmen und MitarbeiterInnen positiv nutzen kann?! Gerade diese Technologien bieten die Chance, New Work zu verwirklichen, die einzelnen, individuellen Interessen von MitarbeiterInnen mit den Gesamtinteressen des Unternehmens in Einklang zu bringen.

New Work Safari

New Work ist so gesehen ein unternehmerisches Abenteuer, eine Safari. Und genau das spornt mich persönlich sehr an. Mich interessiert, wie Unternehmen, Führungskräfte, MitarbeiterInnen New Work auffassen und verstehen, wie relevant New Work für einzelne ist und welche Herausforderungen in Bezug auf New Work im Raum stehen. Dazu startete ich vor kurzem eine „New Work Safari“ – eine Reise, in der ich dieser Transformation in den verschiedensten Bereichen unserer Gesellschaft auf den Grund gehen möchte: In Organisationen und Institutionen, dorthin, wo es bereits läuft und dorthin, wo New Work kritisch betrachtet wird. Machen auch Sie sich auf die Reise!

 

Über den Autor

Günther Wagner ist in Greifswald geboren, lebt heute in Salzburg und arbeitet selbstständig als Unternehmensberater, Management-Coach und Trainer. Zu seinen Beratungs- und Arbeitsschwerpunkten zählt u.a.: Leadership in hoch komplexen Zeiten, Digital Leadership, Arbeitswelt 4.0, die damit zusammenhängenden Veränderungswiderstände und ein entsprechendes Konfliktmanagement und Risikobewusstsein. Seine berufliche Expertise beruht auf knapp 30ig jähriger Führungs- und Managementerfahrung bei internationalen Versicherungsunternehmen, NGOs, beim Militär (Flugsicherheit) und ebenso auf seiner intensiven persönlichen Lebenserfahrung. Das verschafft ihm ein tiefgreifendes Verständnis, Wissen und Vertrauen im Umgang mit komplexen Herausforderungen. Man sagt über ihn, dass er es wagt über den Main-Stream-Tellerrand hinwegzusehen, Hardfacts ehrlich und ungefiltert anspricht, Prozesse anders zur Wirkung bringt und Ergebnisse neu definiert, indem er bewusst Umwege wählt, um dem Erfolg eine ganz neue Chance zu geben.

 

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